Fluchtgeschichten

Das Projekt „Fluchtgeschichten“ sammelt und publiziert Geschichten geflüchteter Menschen in der Schweiz

Grungedanken des Projekts

Philosophische Gedanken entstehen nicht nur in den Seminarräumen der Universität. Verschiedene Bereiche der sogenannten ‘alltäglichen Welt’ sind von Reflexionen philosophischer Art durchdrungen. Diese werden allerdings nur selten aufgezeichnet oder gar publiziert. Im Besonderen trifft dies auch auf die Überlegungen von und über Menschen zu, die aus ihrem Heimatland in die Schweiz flüchten mussten. Das Projekt „Fluchtgeschichten“ versucht dem entgegenzuwirken, indem Reflexionen geflüchteter Menschen und ihnen Nahestehende zu diversen Themen – beispielsweise Freiheit, Heimat, Gleichstellung, ihrer Situation in der Schweiz – gesammelt und publiziert werden.

Das Projekt verfolgt dabei zwei Hauptziele: Zum einen möchte es Personen, die sonst wenig Gehör in den öffentlichen und philosophischen Diskussionen der Schweiz erhalten, eine Plattform bieten. Zum anderen soll mit einer Form des Philosophierens experimentiert werden, welche Probleme der praktischen und politischen Philosophie kooperativ und unter Berücksichtigung ausserakademischer Standpunkte behandelt. 

Im Rahmen dieses Projekts veröffentlichen wir deshalb Texte von Menschen, die selbst geflüchtet sind und/oder in engem Kontakt zu Geflüchteten stehen, sei es durch Freiwilligenarbeit, ihren Job oder aus Freundschaft.

 

Veröffentlichte Beiträge

Die Beiträge zum Projekt “Fluchtgeschichten” orientieren sich an philosophischen Fragen oder erzählen frei. Sie werden anonym oder mit Namen veröffentlicht. Die Inhalten entsprechen der Erfahrung und Interpretation der jeweiligen Autor:innen und sind keine objektiven Darstellungen.

 

Monte Verità Konferenz (20.-24.8.23)

Die bisher veröffentlichten Texte des Fluchtgeschichten Projekts wurden an der Konferenz von Philosophie.ch auf dem Monte Verità vorgestellt und besprochen. Teilgenommen hat auch die Afghanische Journalistin Elaha Omari, die ihre eindrückliche Geschichte vorgetragen hat. Ihre Rede haben wir als Text veröffentlicht: How I escaped from the Taliban.

 

Schreibworkshop im Sprachkaffee Luzern

Bei einem Schreibworkshop im Neubad Luzern haben die Teilnehmer:innen des Sprachkaffees über Ihre Erfahrungen mit der Schweiz geschrieben und ausgedrückt, was sie der Schweiz gerne mitteilen wollen und was Journalist:innen besprechen sollten

 

Interviews/Gespräche

In einer Reihe von persönlichen Gesprächen sind eindrückliche Berichte der Flucht und der Schwierigkeit des Ankommens entstanden:

Meine Reise vom Sudan in die Schweiz

Flüchten ist wie eine Wiedergeburt

 

Einsendungen

Eingesendet wurde uns die Erfahrung einer Schweizerin, die angefangen hat eine geflüchtete Frau zu unterstützen, die mittelweile Teil ihrer Familei geworden ist. Sie empfiehlt allen aufgeschlossenen Menschen eine solche Patenschaft.

 

AG Nothilfe Bern

Durch eine Zusammenarbeit mit der Aktionsgruppe Nothilfe Bern wurde es möglich, erste Beiträge zu sammeln. Diese Beträge wurden zuerst auf der Website der Gruppe veröffentlicht und ich durfte Sie hier erneut publizieren.

Die Aktionsgruppe setzt sich in erster Linie für die Verbesserung der Situation von Menschen in Nothilfe ein. Nothilfe betrifft Asylsuchende, deren Antrag abgelehnt wurde, die aber aus verschiedenen Gründen von der Schweiz nicht gezwungen werden können, in ihr Heimatland zurückzukehren. Sie leben in engen Rückkehrzentren von gerade mal acht Franken am Tag, ohne dass es ihnen erlaubt ist, zu arbeiten. Ihre Bewegungsfreiheit wird massiv eingeschränkt durch ständige Kontrollen. Verschiedene Helfer:innen sprechen von einem Regime seitens der Migrationsbehörden, das den Menschen ihren Aufenthalt so unangenehm machen möchte, dass sie freiwillig dorthin zurückkehren, wohin sie die Schweiz nicht abschieben darf. Welche kafkaesken Zustände dies annehmen kann, berichtet eine Unterstützerin in einem Beitrag.

Für die Menschen, die unter diesen Umständen leben müssen, ist dies äussert schwer. Dolma, die bereits seit sieben Jahren in der Schweiz lebt, berichtet von den Schwierigkeiten, den Alltag in einer völlig neuen Umgebung zu bestreiten; den Problemen in ihrem Heimatland und ihrer prekären Situation in der Schweiz:

“Wir dürfen nicht arbeiten.

Wir dürfen keine Schule besuchen.

Wir dürfen nicht reisen.

Wir sind Menschen ohne Zukunft.”

In einem anderen Beitrag schildert Tingle Gyltsen, wie er sich in der Schweiz an den Rand der Gesellschaft gedrängt fühlt; wie die Behandlung durch die Behörden kaum mehr menschlich ist; und wie der Nachweis der eigenen Identität enorm schwierig sein kann. Neben den persönlichen Geschichten und Erfahrungen, die in diesen Beiträgen auch immer eine zentrale Rolle spielen, zeigt sich vor allem auch, dass diese Menschen klar artikulierte politische Positionen bezüglich ihrer Situation in der Schweiz beziehen. Ein Brief von Bewohner:innen des Rückkehrzentrums Biel-Bözingen zeigt dies auf eindrückliche Weise. In all diesen Beträgen findet eine Reflexion menschlicher Grundbedürfnisse und deren konkrete politische Konsequenzen im schweizerischen Migrationssystem statt, die gehört werden sollte.

 

Schreibwerkstatt Sentitreff

Im Sentitreff einem Quertiertreffpunkt an der Baslerstrasse in Luzern fand am 28.01.2022 eine Schreibwerkstatt statt, in welcher die Teilnehmenden selbständige Texte darüber schrieben konnten, wie sie die Schweiz wahrnehmen, was für Erfahrungen sie hier gesammelt haben und welche Vorstellungen zu möglichen Veränderung und Verbesserungen sie sehen. Die Schreibwerkstatt war die erste dieser Art, die ich gleitet habe, und sie wäre ohne die Mithilfe des Sentitreffs nie zu Stande gekommen, wofür ich sehr dankbar bin.

Die Schreibwerkstatt gestaltete sich so, das wir einen Morgen lang zusammen Texte schrieben, wobei ich versucht habe, nur am Rande gewisse Ideen vorzuschlagen. Den Teilnehmenden war es frei gestellt in ihrer Muttersprache oder auf Deutsch die Texte zu fassen. Ungefähr die Hälfte der Texte entstanden auf Deutsch, die anderen wurden in verschiedensten Sprachen – Amharisch, Türkisch, Farsi – geschrieben und ich habe sie dann mit der Hilfe Freiwilliger versucht zu übersetzen.

Die Texte befassen sich mit unterschiedlichen Dingen. Als Vorschläge wurden Fragen vorgegeben, welche die Teilnehmenden beantworten konnte. „Was möchte ich der Schweiz sagen?“, „Was bedeutet Freiheit für mich?“, „Was bedeutet für mich Integration“ und „Was ist meine Geschichte?“. Manche der Teilnehmenden haben sich dazu entschieden alle Fragen zu beantworten, mache nur einen Teil. Wieder andere haben einen der angesprochenen Aspekte weiterentwickelt und ihn kritisch beleuchte. So auch der Text, welcher im Moment noch fehlt, der sich kritisch mit der Integration in der Schweiz auseinander Gesetz hat.

Die Texte konnten auch anonym oder nur unter dem Vornamen publiziert werden. Die Titel der Texte wurden mehrheitlich von mir im Nachhinein hinzugefügt und sind sehr allgemein gehalten, um nicht eine bestimmte Lesart vorzugeben.

Ich möchte mich an diese Stelle noch einmal herzlich bei allen Autor:innen und Helfer:innen bedanken, die dieser Schreibwerkstatt möglich gemacht haben. Die Texte und Gespräche haben sicherlich meine Sicht auf die Schweiz verändert und ich hoffe, dass die hier versammelten Texte dies auch bei anderen bewirken können.       

 

Kooperationen und verwandte Projekte

  • Der Verein Alle Menschen in Biel bietet Hilfestellungen für abgewiesenen Asylsuchende. Dessen Mitglieder haben das Projekt "Fluchtgeschichten" in der Anfangs- und Planungsphase massgeblich unterstützt haben.
  • Die Aktionsgruppe Nothilfe Bern hat bei der Planung des Projekts geholfen. Ein teil der Texte stammt aus einem Workshop 
  • Der Sentitreff ist ein Quartiertreff in Luzern und hat für Fluchtgeschichten einen Schreibworkshop mitorganisiert.

 

Siehe auch

 

Literatur

  • Carolin Emcke: Kollektive Identitäten, Campus Verlag (2000)
  • Bundeszentrale für politische Bildung "Kollektive Identitäten"