Erfahrungsbericht aus der Mittelschule

Meine Zeit am Gymnasium Immensee

ein persönliches Hogwarts

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    Das Gymnasium Immensee war mein persönliches Hogwarts. Das Gebäude umgab eine gewisse ähnliche mystische Stimmung – vor allem, wenn die ganze Schule leer war, ein Gewitter bevorstand und man allein durch die alten Schulgänge lief. Das Gebäude hat aufgrund seines Alters einen gewissen Charme. Es besteht aus einem Türmchen, einem Z-Bau mit Klassen- und Fächerzimmer, gemeinsamen Zimmer für alle Schüler:innen und dem Internat, welches mit Schüler:innen aus der ganzen Schweiz gefüllt ist – von Zermatt bis St. Gallen. Mit circa 350 Schüler:innen ist das Gymnasium Immensee klein, aber fein. Es kennt praktisch jede:r einander – dafür sorgen vor allem Gymibälle, Last School Days und Sporttage. Die Lehrpersonen ähneln mehr Bezugspersonen und wenn man sich zur richtigen Zeit am richtigen Ort aufhält, erfährt man auch ein bisschen Lehrpersonengetratsche. Doch sonst ist es in Immensee wie an jeder anderen Schule: Die älteren Schüler:innen drängeln auch hier in der Mensa vor, die Prüfungen sind genauso schwierig, aber eventuell waren hier die Jahre nicht genauso lang – dafür sorgte die schöne Umgebung des Gymnasiums. Denn am schönsten war im Gymnasium Immensee der Zeitvertreib zwischen den Lektionen: In der grossen Pause spaziert man durch die Hohle Gasse, um in der Landi Kuchen zu kaufen, den Mittag verbringt man badend im anliegenden Zugersee, am Nachmittag hat man anregende Gespräche auf dem idyllischen Friedhof oder aber man liest im Winter in der hölzernen Bibliothek bei einer heissen Schokolade die Harry Potter Bücher und schaut zu, wie es schneit. 


    Doch nun zum Wesentlichen: Wie mich das Gymnasium Immensee zur Philosophie gebracht hat. Interessanterweise fing es damit an, dass es für mich schon immer klar war, dass ich an einer Universität studieren wollte: Lesen und Lernen – das klingt nach meinem persönlichen Himmel. Welches Fach ich studieren würde, liess sich auch schnell eingrenzen: Ganz bestimmt nicht Mathematik, Chemie oder Physik. Für Biologie und Geografie konnte ich mich ebenfalls nicht begeistern und meine mangelnden Sprachkenntnisse sprachen für sich. Sport war ein klares Nein, für Musik war ich zu unbegabt und obwohl ich Gefallen am bildnerischen Gestalten hatte, war mir dabei der Druck, ständig gut zu performen, zu gross. Zum Glück gab es noch die Philosophie. Hach, die Philosophie – da war sie, meine Leidenschaft. Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich sechs Jahre lang Philosophie am Gymnasium hatte. 


    Der Philosophieunterricht war meine Oase in der Wüste. Während ich bei allen anderen Fächern mit Desinteresse und schlechten Noten kämpfte, war die Philosophie mein Ausgleich. Dort blühte ich auf. Ich liebte es, viel zu lesen, keine klaren Antworten zu haben, Gegenargumente zu finden und mich über Meinungen aufzuregen. Ich war Feuer und Flamme. Grund dafür war mein Philosophielehrer Flavio Carrera. Sein Philosophieunterricht hätte nicht besser sein können. Er machte aus der alten, verstaubten Philosophie eine alltägliche Disziplin. Sein Unterricht begann oft damit, dass er aktuelle 20-Minuten Artikel mit einem philosophischen Thema verknüpfte und damit unser aller Interesse weckte. Er liess uns Alltägliches hinterfragen und arbeitete oft mit der Diskussion als Unterrichtsform, so dass die Beteiligung der Schüler:innen stets hoch war. Der Philosophieunterricht war nie langweilig, beispielsweise wurden wir aufgefordert, in sogenannten “Fishbowls” gegeneinander anzutreten und für eine Position zu argumentieren, die man selbst nicht vertritt. Diese Methode fördert nicht nur den Perspektivenwechsel, sondern auch die Toleranz, andere Meinungen zu akzeptieren. Seine Kreativität im Unterricht und Leidenschaft für das Fach inspirieren mich heute noch. 


    Er bemerkte sehr früh mein Interesse an philosophischen Fragen und gab mir nicht selten nach der Lektion eine provokative Frage, über die ich die ganze Woche nachdenken konnte. Während meine Mitschüler:innen nach der Lektion genug von Philosophie hatten, konnte ich die nächste Lektion kaum abwarten. Die Philosophie beschäftigte mich – in der Schule, auf dem Heimweg, beim Abendessen oder auch beim Filme schauen. Plötzlich war alles philosophisch. Alles konnte hinterfragt und gegen jeden konnte argumentiert werden. Als ich meinen Maturaabschluss machte, war es nur logisch, dass ich mich für ein Philosophie- und Ethik-Studium an der Universität Luzern entschied. Diese Entscheidung habe ich meinem Philosophielehrer zu verdanken, da ich ohne ihn die Philosophie nicht entdeckt hätte, was schade wäre, da das Studium wie für mich gemacht ist. Während dem Studium bemerkte ich, welch grossen Einfluss gute Lehrpersonen auf Schüler:innen haben können und begann nebenbei das Lehrdiplom für Philosophie an der pädagogischen Hochschule in Luzern zu erwerben. Denn gerne wäre ich eine Philosophielehrerin, die die Philosophie in weiteren Schüler:innen entfachen kann - so wie ich es am Gymnasium Immensee erfahren durfte.