Erfahrungsberichte aus den Mittelschulen

Meine Zeit am Theresianum Ingenbohl

oben auf der Himmelsleiter

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    Ich werde meinen ersten Tag am Theresianum Ingenbohl niemals vergessen. Mächtig und anmutig stand das Schulhaus auf einem Hügel, der nur über die «Himmelsleiter» erreichbar war. Die «Himmelsleiter», die wir auch schnippisch als «Highway to Hell» bezeichneten, war eine Treppe mit etwa 250 Stufen (ja, wir haben sie wirklich gezählt) und wenn man nicht die fitteste Peron war, war man oben angekommen schon völlig aus der Puste, bevor der Schultag überhaupt richtig begann. In meinen ganzen vier Jahren Gymnasium hat sich das nicht geändert (es sei der Raucherlunge geschuldet).

    Das Theri hat eine weitere Besonderheit: Das Gymnasium war nur für Frauen zugänglich. Vier Jahre verbrachte ich also in einer reinen Mädchenklasse. Man konnte also ohne Probleme durch das Klassenzimmer rufen: «Hey! Hat jemand einen Tampon dabei?». Bei 20 Mädchen in der Klasse war es garantiert, dass es immer einen gab. Ich kann sagen: Solche Dinge schweissen Leute wirklich zusammen.
    Das war natürlich nicht der einzige Vorteil. Durch das reine Mädchen-Gymnasium waren wir höchstens zwei Klassen pro Jahrgang, was es den Lehrer:innen viel einfacher machte, individuell auf uns einzugehen, zu sehen wo wir aufblühen und dies zu fördern.

    In meinem zweiten Jahr am Theri entschied ich mich für das Schwerpunktfach PPP. Ich wusste dort noch nicht, dass eins dieser Ps mein Leben noch lange begleiten und einnehmen wird. Ich freute mich sehr auf die erste Philosophie-Stunde, da mein Lieblingsfach Deutsch war und ich diese zwei Fächer sehr miteinander verbunden sah. Ich weiss nicht mehr genau, was wir in dieser Stunde besprachen, aber ich erinnere mich, dass ich mit einem Funkeln in den Augen und einem Lächeln das Klassenzimmer verliess. An diesem Tag war der Samen für meine Liebe zur Philosophie gepflanzt.

    Mit der Zeit beteiligte ich mich sehr aktiv im Unterricht. So aktiv, dass meine Lehrerin manchmal sagen musste: «Kann jemand anders als Ana antworten?». Es kann sein, dass ich zwischendurch etwas zu enthusiastisch war, denn ich wollte jede Frage beantworten und noch mehr Fragen stellen. Das ist auch noch heute so: Wenn mein Interesse geweckt ist, bin ich all in.
    Ich las mich durch alle möglichen philosophischen Richtungen, Strömungen und Autoren. Einige begeisterten mich, öffneten mir die Augen und gaben mir eine neue Sichtweise auf die Welt und mich selbst. Andere fand ich absurd, lächerlich oder machten mich sogar wütend (I’m looking at you, Arthur Schopenhauer).

    Ich war mitten in einem wunderbaren Prozess: Ich entdeckte eine neue Leidenschaft und gab mich dieser völlig hin. Ich hatte drei besondere Stärken, die mich zur Philosophie hinzogen: Ich war neugierig, aufgeschlossen und ich hatte gern recht. Ich liebte es zu diskutieren, Argumente zu finden und diese zu verfeinern, Fragen zu stellen, sie zu beantworten, nur um wieder mehr Fragen zu stellen. Ich liebte jede Sekunde davon und sah, dass die Philosophie dynamisch  und in allem vorhanden ist. Ich sah sie nun überall: In der Musik, die ich hörte, in den Filmen, die ich schaute, in den Konversationen mit meinen Freunden und meiner Familie und in meinem inneren Dialog. Sie lebte und ich hörte ihren Herzschlag überall und dieser schlug im gleichen Rhythmus wie mein eigenes Herz. Als ich meinen Abschluss machte und es Zeit war, mich zu entscheiden, wohin mich meine Zukunft führen würde, war mir klar: Ich möchte mein Leben mit ihr verbringen. 

    Schlussendlich kann ich sagen, dass mich meine Zeit am Theresianum Ingenbohl nachhaltig geprägt und mich in meiner Entwicklung, von einem intelligenten, aber doch etwas vorlauten Mädchen zu einer bedachten, aber immer noch so leidenschaftlichen Frau, unterstützt und weitergeholfen hat. Ich würde jeder jungen Frau, die noch nicht weiss welches Gymi das richtige für sie ist, das Theri und natürlich auch das Schwerpunktfach PPP voll und ganz ans Herz legen.