Platons Tugendethik - Einführung

Uns Menschen kommen im Alltag immer wieder ethische Fragen unter: Ob im privaten Bereich, im Rechtssystem oder allgemein in der Politik.

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    Die Ethik ist nicht nur ein wichtiges Gebiet in der Philosophie, sondern auch ein sehr greifbares. Uns Menschen kommen im Alltag immer wieder ethische Fragen unter: Ob im privaten Bereich, im Rechtssystem oder allgemein in der Politik.

    Bei der Tugendethik stehen die Handelnden selbst im Mittelpunkt. Moralische Urteile basieren auf der Motivation der Handelnden, wobei der Blick auf das übergreifende Gut, das letzte Ziel (telos), gerichtet ist. Tugenden sind Einstellungen und Haltungen, die mit der Identität von Personen verknüpft sind und das Handeln von Menschen bestimmen.

     

    Platon’s (428/7 – 348/7) Tugendethik stellt wohl eine der bekanntesten Tugendethiken dar. Am besten formuliert er diese in der Politeia aus, wobei er sich explizit mit der Frage über die Gerechtigkeit beschäftigt: Worin besteht Gerechtigkeit?

    In Buch I erklärt Platon zunächst was die Gerechtigkeit nicht ist: Sie könne niemals bedeuten, irgendjemandem Schaden zuzufügen.

    In den Büchern II – X entwickelt Platon nun eine eigenständige Theorie darüber, was die Gerechtigkeit auszeichne. Das lasse sich besser in einer Analogie mit dem Staate erkennen, denn da der Staat grösser als der Einzelmensch ist, enthalte er die Gerechtigkeit vermutlich in einem höheren Masse.

     

    Für seinen Vergleich gibt Platon nun drei Stände im Gemeinwesen an, die den drei Seelenteilen des Menschen funktional entsprechen sollen:

    1) Den Herrscherstand, der eine beratende Funktion erfüllt und am besten durch einen Philosophenkönig vertreten wird,

    2) den Wächterstand, der eine helfende Funktion erfüllt

    3) die Erwerbstätigen, die für die Ernährung und Erwerbstätigkeit zuständig sind.

     

    Analog zu diesen Ständen führt er die Seelenteile an:

    1) Die Vernunft, die einsieht und urteilt,

    2) das Mutartige, das dem Strebevermögen und der Durchsetzungskraft entspricht

    3) das Begehrungsvermögen, das Affekte und Leidenschaften als Gegensätze, wie Leid/Freude, betrifft.


    Platon leitet diese Differenzierung der Seelenteile doppelt her: Einerseits anhand einer Analyse der Staatsentstehung, in der sich die verschiedenen Stände nicht in die anderen einmischen, aber dennoch einander bedürfen, andererseits aufgrund einer Analyse verschiedener Strebungen, die im Menschen miteinander in Konflikt treten, zum Beispiel wenn ein Mann den Leichnam seines Freundes sehen möchte, aber gleichzeitig auch nicht, und dadurch ein innerer Kampf und Zorn entsteht. Dies könne, so Platon, nur durch unterschiedliche Seelenkräfte erklärt werden.

     

    Aus dieser Dreierstruktur leitet Platon nun die Kardinaltugenden ab und zwar sowohl als harmonisches Zusammenwirken der Seelenteile, als auch als korrekte Aufgabenerfüllung, die der Staat not-wendigerweise impliziert.

    Platon gibt vier Kardinaltugenden an: Die Weisheit, die Tapferkeit, die Besonnenheit und die Gerechtigkeit. Letztere deckt jedoch keinen eigenen Bereich ab.

    - Die Weisheit (sophia) entspricht der Vernunft bzw. im Staate dem Herrscherstand und erkennt, was jedem Teil und dem Ganzen der Seele/dem Staat zuträglich ist. Sie ist die letzte Einsicht in die Idee des Guten.

    - Die Tapferkeit (andreia) ist der mutartige Teil bzw. der Wächterstand im Staat und hält an dem, was die Vernunft erkennt, fest, durch Freud und Leid hindurch. Sie folgt der Vernunft entgegen dem Widerstand der Begierden. Sie ist also nicht nur als eine Überwindung von Furcht zu verstehen.

    - Besonnenheit (sōphrosynē) liegt vor, wenn alle Seelenteile bzw. Stände einig darin sind, dass die Vernunft herrschen soll. Sie ist die Tugend der Begierden, muss aber auch in den anderen Teilen herrschen.

    - Die Gerechtigkeit (dikaiosynē) deckt, wie schon zuvor erwähnt, keinen eigenen Bereich ab, sondern besagt, dass jeder Teil bzw. Stand das Seinige tue und die ihm zugesprochenen Aufgaben erfüllt. Das heisst, sie ist erst vorhanden, wenn alle anderen Tugenden bereits vorliegen und ist keine «Haltung» an sich, sondern die rein innerliche Verhältnis-Bestimmung der Seelenanteile.

     

    Wann ist man nun gerecht nach Platon?

    Gerecht sei man genau dann, wenn i) die Vernunft die Seele beherrscht (besonnen) und das Richtige erkennt (weise), ii) das Mutartige sich der Vernunft unterordnet (besonnen) und an deren Vorgaben festhält (tapfer) und iii) die Begierden mit den anderen Seelenteilen einig sind und sich der Vernunft fügen (besonnen).