Essay-Wettbewerb Weisheit

Für Sophia

Hommage auf die Inspiration/Weisheit

Ich schreibe dir einen Liebesbrief, seit sieben Jahren. Seit sieben Jahren versuche
ich, meine Ergriffenheit und das, was du mir bist, in Worte zu fassen.
Was fandst du bloß an mir; und warum lieb’ ich dich so sehr?
Weshalb suchen und lieben wir dich so zahlreich?


Warst du es nicht, die uns immer zur Seite stand; schon im Anfang.
Bist du nicht das Wort und die Inspiration selbst, meine kindlich spielende Muse?
Staunend beim Anblick deines Spiels wurde die Welt erschaffen – deinen Atem
hauchtest du in etwas ein, das dadurch Leben wurde.
Hier nur ein Gedicht für dich, du mein Sommervogel. Du, mein Lieblingskind.


„Wenn wir uns wundern,
schwebt ein Sommervogel
über dem leeren Stuhl“


Und so schwebst du; warst und bleibst du Wunder; Staunen und Spiel, absolute Selbstvergessenheit und das königliche – überm Abgrund – der Anfang unserer Liebe zu dir und deiner Liebe zu uns. Du schenkst den dich Liebenden einen Funken deiner selbst. Du treibst uns an zum Höchsten. Für die, die dich lieben, bist du mal Muse; bist du mal Taube; bist du Zen. Doch wenn wir rufen, wenn ich rufe: bist immer du und wenn wir lieben, lieben wir dich zahlreich.


Ich schreibe dir einen Liebesbrief seit sieben Jahren und werde dem nicht gerecht, was du bist, nicht, indem ich versuche, dich in Worte zu fassen; mein Brief bleibt kalt
und leer und leblos im Vergleich zu dem Glühen, das mich erfasst, wenn du von mir Besitz ergreifst. Und wenn du mich verlässt: Schroff ist der Aufprall. Nimmermehr
dich halten. Und auch nicht denken oder fragen, wer du wirklich bist: Wir sollen uns doch kein Bild machen.


Kein Wort geht auf in deiner Flamme; jeder Begriff bleibt bloße Annäherung und doch so sagt man, haben wir Wege gefunden, uns deiner Schönheit zu nähern.


Wir bleiben Kinder, die nie verlernen, nach dir zu fragen. Wir wissen dabei um den schmalen Grat zu unserer eigenen Torheit – erkennen sie bei deinem Anblick
beschämt. Du bist der Spiegel, der unsere Narrheit entlarvt. Doch das Glück, dir einmal nah gewesen, einmal von dir geküsst worden zu sein, verlässt den nicht, der dich einmal erfuhr und so streben wir wieder in deine Nähe. Auf dem Weg zu dir bleibt aufs schmerzlichste deine Abwesenheit präsent, denn der Weg bedeutet nicht das Ziel; bedeutet, dich zu denken, und weil das Denken selbst immer Distanz zu seinem Objekt wahrt, bleibst du stets dabei fern. Ist es nicht närrisch, es überhaupt zu versuchen?


Denn du, liebe S., bist das Unvorstellbare, das nicht Erzwingbare. Du, liebe S., du bist das immer Unerwartete. Bist mein Absolutes. Du bist das, was ich fand unter dem leblosen Stein. Die Verzauberung; der Musenkuss, der nie zu spät zu denen kommt, die offen bleiben. Ohne diese Offenheit bleibt jedes Streben zwecklos; und ja, es ist ein Ergriffenwerden von einem Augenblick, in dem das Denken schweigt. In dem nur das Hier und Jetzt geschieht – genau das geschieht jenen, die dich lieben, und sie fürchten sich nicht, ohne Vergangenheit und Zukunft zu sein; ruhen aufgehoben in deiner kugelrunden Hand.


Nenne es, nur das Eine zu sein, ohne noch ein Wort zu finden; ohne die zerpflückenden Mühen des Verstandes einfach: in und mit dir zu sein, schimmernd. Die Wege zu dir, das sind zahlreiche Schulen, aber es bedeutet auch, jede Schule; jeden Weg wieder zu verlassen. Denn die Welt, verhaftet dem Irrtum. Doch du, S., du schwebst über allem und bleibst uns – höchstes Ziel und höchste Liebe! So schreibe ich dir einen Liebesbrief; immer und immer wieder schreibe ich dir: der Einen.

Deine S. 21.06.25