Zum Podcast “Comment les femmes parlent-elles d’amour et de sexualité“

Kann der Frau überhaupt noch etwas Singuläres, etwas das ausschließlich zum Wesen der Frau gehört, zugesprochen werden? Und die Folgefrage: Wenn ja, was ist es? 

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    Anlässlich der „Semaine PhiloMoncao“, eine philosophische Veranstaltung, die vom 12. Juni bis zum 18. Juni in Monaco, stattgefunden hat und zum Ziel hatte, diverse Philosophen zu Wort kommen zu lassen, veröffentlichte das „Radio France“ auf dem Kanal „Avec la Philosophie“ einen fünfteiligen Podcast, der sowohl die dort stattgefunden Streitgespräche rekapituliert und an sie anknüpft. Eines dieser fünf Themen befasste sich mit der Weiblichkeit und dem Bezug der Frau zur Sexualität. Ich möchte im Folgenden die im Rahmen dieses Podcasts geführte Diskussion zwischen Emilie Notéris, Autorin und Übersetzerin zahlreicher Bücher zum Feminismus, und Fabienne Brugère, Philosophie-Professorin an der Universität Paris VIII wiedergeben. 

     

     

    Zu Beginn stellt sich die Frage, inwiefern sich in der Popmusik-Szene traditionelle Frauenbilder, Geschlechterrollen und Liebesverständnisse wiederfinden lassen. Lieder famoser Sänger*Innen wie France Galle und Michel Sardou werden an den Pranger gestellt. Ein immer wiederkehrendes Leitmotiv dieser Lieder: eine naive Frau, die der Liebe eines erwachsenen Mannes bedarf, damit er ihr die Welt, ja das Leben zeigt. Fabienne Brugère ist in ihrem Urteil in Bezug auf die Verwerflichkeit dieser Lieder ganz klar. Diese Lieder, diese ähnlichen Motive und Sprache, die in ihnen benutzt werden, sind veraltet, gehören einer Gesellschaft an, die es in der Form heute nicht mehr gibt. Auch die Pop-Szene ist in einem stetigen Wandel eingebettet. Die heutzutage produzierten Lieder, heben von einem Grund ab, der sich nicht nur von binären Dialogen und Diskursen, klaren Auffassungen der Geschlechterrollen nährt. Die Frau ist nicht und soll nicht so sein, wie sie in den bekannten Pop-Songs aus früherer Zeit dargestellt wird. Doch was ist die Frau dann? 

    Dieser Exkurs zur Frauenrolle in Pop-Songs erwies sich folglich als eine raffinierte Überleitung zu einer zentralen Fragestellung, mit denen sich zahlreiche feministische Philosoph*Innen auseinandergesetzt haben und auseinandersetzen: Kann der Frau überhaupt noch etwas Singuläres, etwas das ausschließlich zum Wesen der Frau gehört, zugesprochen werden? Und die Folgefrage: Wenn ja, was ist es? 

    Im, von der Moderatorin präsentierten, Ausschnitt aus einer Rede von Mona Ouzouf, Historikerin und Autorin zahlreicher Schriften zum Feminismus, kommt zum Ausdruck, dass die positive Begriffsbestimmung des Begriffs „Frau“, einer Gettoisierung der Frauen ähnelt. Ein positiver Begriff der Frau beschreibt nicht nur die Frau, sondern formt, klassifiziert sie, ja bestimmt sie und ihre Zukunft. Der Begriff der Frau wird zur Grenze, die der Frau gesetzt wird. Der Begriff wird normativ, der Begriff bringt Verpflichtungen mit sich. Ja selbst wenn es sich um positive Begriffsbestimmungen im doppelten Sinne handelt! Positiv im Sinne von inhaltsgebend als auch im Sinne von favorisierender Wertung. Schreibt man der Frau ein stärkeres Mitgefühl mit ihren Mitmenschen, eine stärke Wärme und Liebesfähigkeit, ein besseren Umgang mit anderen zu, bleibt dies nicht folgenlos. Erwartungen an die Frau, die das betreffen, was mit Sorge und Pflege zu tun hat, steigen massiv. Die Frau wird zur Mutter, zur Hausfrau, zur Pflegeperson, zur Kellnerin und nicht zuletzt auch zur Putzfrau. 

    Lehnt daher Mona Ouzouf das Konzept der „écriture feminine“, eine Strömung aus der frankophonen Philosophie der 70er-Jahre, die sich für eine sich von phallo-logozentrischen, sprich männlich-vernunft orientierten Denk- und Sprechweisen distanzierendes Schreiben ausspricht, ab, so hält sie dennoch an der paradoxen Überzeugung fest, das Frau-Sein, sei nicht in seiner Totalität unbestimmt.

    Wie lässt sich also die Frage nach der Weiblichkeit beantworten? Gibt es eine wesentliche Differenz zwischen dem Männlichen und dem Weiblichen, oder ist diese vielleicht nur historisch und gesellschaftlich konstruiert? Letzteres ist eine bekannte These von Monique Wittig. Daher wird, bevor diese Fragen von Emilie Notéris und Fabienne Brugère diskutiert werden, eine Passage aus Monique Wittigs „La pensée straight“ von der Moderatorin vorgelesen. 

    Die These von Monique Wittig lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die Festsetzung einer Differenz der Frau von dem Mann war eine Politische. Der Frau wurde eine Natur zugeschrieben, deren Künstlichkeit und Falschheit, eine lesbische Gesellschaft, sofort aufzeigen würde. Darüber hinaus wird die vergangene und stets fortwährende Unterdrückung durch eben diese künstliche, von aussen auferlegte Natur gerechtfertigt, so dass man zum Schluss kommt: Die Frau musste unterdrückt werden. Die offensichtliche Schwierigkeit, sich von dieser künstlich der Frau auferlegten Natur sich zu befreien, resultiert aus der Tatsache, dass die künstliche Natur selbst sich in die letzten Zellen jeder Frau eingenistet haben. 

    Für Wittig besteht daher der einzige Ausweg aus der Unterdrückung in der Flucht vor ihr, aber auch,  so Wittigs These, vor der Heterosexualität,  welche momentan ohne eine Form von Unterdrückung gegenüber der Frau ausgelebt werden kann.

    Die daran anschließende Forderungen von Emilie Notéris sind zwar weniger radikal, doch betonen, die Wichtigkeit einer Infragestellung der Heterosexualität und den darin vorkommenden Machtwirkungen. Heterosexualität ist nicht mehr die „normale“ Art von Beziehungen, in dem Sinne, dass sie nicht die Richtlinie aller anderen Beziehungen sein sollten und darüber hinaus auch niemals unkritisiert bleiben sollten. 

    Monique Wittig definiert das Frau-Sein als ein Frau-für-den-Mann sein. Der Begriff der Frau bekommt erst durch ihre Bedeutung für den Mann an Inhalt. Das Frau-Sein-für-den-Mann geht mit klaren Pflichten einher, Pflichten die sowohl Körper als auch Geist der Frau betreffen. Daher die radikale These: Freiheit ist für Frauen zur Zeit nur in einer lesbischen Gesellschaft möglich. 

    Emilie Notéris versucht, Wittig weniger utopisch zu lesen, in dem Sinne, dass man das Ziel einer geschlossenen weiblichen Gesellschaft nicht anpeilen muss. Vielmehr soll Wittigs Utopie, so Notéris, auf eine radikale Umänderung in unserer Gesellschaft und den in ihr begriffenen Prozess der Subjektwerdung hinweisen. Frauen sollen nicht mehr Frauen werden, und Männer keine Männer. Nicht nur die Frau ist nicht als Frau geboren, sondern sie erst geworden, sondern auch der Mann hat sich eine Natur angeeignet, die sich durch die Unterdrückung eines als schwächer postulierten Geschlechts definiert. Es ist Subjektwerdung, die unabhängig des Geschlechts und der Sexualität stattfindet, jede Form von Binarität überwindet, dessen Realisierung sich Notéris für die heutige Gesellschaft erhofft.