Meine Idealpartnerin / mein Idealpartner

Weiterhin auseinanderklaffende Rollenvorstellungen junger Männer und Frauen verhindern Spitzenkarrieren von Frauen

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    Weiterhin haben auch die jungen Frauen und Männer voneinander abweichende Vorstellungen über Partnerschaften und die hieraus resultierenden Berufs- und Karrieremodelle für Mann und Frau. Um dies zu demonstrieren, greife ich zwei Beispiele aus unserer Befragung an der UZH und ETH auf. Ich analysiere die Gesamtdaten und mache der Einfachheit keine vergleichenden Analysen zwischen Frauen- und Männerfächern, wie wir dies in der "Leaky Pipline Studie" tun.


    Die/der ideale Lebenspartner*in
    Die 4,147 Studierende, die sich derzeit in keiner Partnerschaft befinden, wurden nach dem/der «idealen Lebenspartner*in» befragt. (Diese Ergebniss verändern sich übrigens nochmals fundamental , wenn man sich die bereits bestehenden Partnerschaften der Studierenden ansieht; hierzu sei auf unser Papier zur "Leaky Pipline" verwiesen). Hier die Ergebnisse:

    Bei den Alterswünschen zeigt sich, dass junge Männer weitaus «moderne» Vorstellungen von Partnerschaften haben als junge Frauen. So wünscht sich die Mehrzahl (72%) der jungen Männer eine Partnerin, die gleichaltrig ist. Damit befinden sich beide Parteien auf vergleichbaren Berufs- und Karrierewegen im Lebenslauf. Dies erleichtert die Verhandlungspositionen beider Partner bei möglichen Karriereoptionen, bei externen Beförderungen und Umzug in eine andere Stadt/Land oder bei Geburt des ersten Kindes.  Bei den Wünschen der jungen Frauen zeigt sich hingegen ein gemischteres Bild: Immer noch 55% bevorzugen einen leicht älteren Mann (dies entspricht auch der Statistik der Schweiz). Damit ergeben sich aber auch potenzielle Nachteile für diese Frauen bei ihrer beruflichen Weiterentwicklung. Ältere Männer verfügen über einen altersmässigen Berufs- und Karrierevorsprung, welcher nicht selten in Nachteilen für die Frau mündet. So richten sich viele Paare in diesen Modellen bei einem berufsbedingten Umzug oder der Geburt des ersten Kindes nach der Person mit den höheren Fortkommens-Chancen und dem höheren Verdienst aus. Und das ist dann leider oft der Mann.

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    Ein umgekehrtes Bild zeichnet sich bei den Einkommens- und Vermögenswünschen an den/die zukünftige/n Partner*in. Während sich eine Vielzahl junger Männer (44%) gut eine «Abwärtspartnerschaft» vorstellen kann, präferieren junge Frauen laterale Partnerschaften (42%). Allerdings deutet sich gerade bei den Frauen ein Wandel der Geschlechterrollen an: so können sich immerhin 28% vorstellen, dass der Mann sehr wenig verdient. Diese Rollenvorstellung wird allerdings nur von einer Minderheit der Männer befürwortet. Laterale Partnerschaften bzw. Partnerschaften, in denen die Frau viel verdient, befürworten nur 36% der jungen Männer. Somit treffen 36% an Männern mit entsprechenden Wünschen auf 77% an Frauen mit entsprechenden Wünschen. Damit ergibt sich nach wie vor keine Deckungsgleichheit in den Wünschen und Vorstellungen der Geschlechter. Dies wäre aber notwendig, damit beide Geschlechter gleichberechtigt ihre Berufswege in den Partnerschaften gestalten könnten.

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    Ein analoges Bild ergibt sich bei den Karriere- und Aufstiegswünschen an den/die zukünftige/n Partner*in. Nur eine Minderheit junger Frauen (13%) vertritt die traditionelle Idee, dass der Mann über höhere Karriere- und Aufstiegschancen verfügen sollte. Hingegen vertritt die grosse Mehrheit der jungen Männer (64%) genau dieses Ideal. Diese Männer wünschen sich Partnerschaften, in denen der Mann über die höheren Karriere- und Aufstiegschancen verfügt. Rein rechnerisch treffen somit 45% Frauen, die sich einen beruflichen Aufstieg zugunsten der Frau vorstellen können, auf 7.5% Männer, die sich dies vorstellen können. Gerade bei Spitzenkarrieren, so im Top-Management, Verwaltungsrat, Privat Equity, Top-Kanzleien, leitenden Arztpositionen oder Professuren etc., ist es oft notwendig, dass eine Partei in der Partnerschaft beruflich zurückstecken muss. So in Folge häufiger Umzüge oder aber ab der  Geburt von Kindern. Die Zahlen zeigen somit, dass die Frauen in den Partnerschaften nach wie vor nicht über dieselben Verhandlungsoptionen verfügen wie die Männer. Und zwar in Folge gesellschaftlich verankerter Rollenmodelle. Anders als bei den Altersvorstellungen aber in Folge der traditionellen Rollenvorstellungen der Männer.  

    Allerdings treffen die 42% Frauen, die sich gleichberechtigte Berufswege vorstellen können, immerhin auf 29% Männer, die sich dies auch vorstellen können. Dies entspricht dem Modell, dass beide Seiten beruflich etwas zurückstecken. Ein Modell, das in der Schweiz immer stärkere Verbreitung findet. Allerdings auch ein Modell in dem – zumindest bislang – selten Spitzenkarrieren möglich sind.  

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    Wer übernimmt die «greedy work»?

    Zuletzt noch einige Zahlen dazu, ob sich die Studierenden nach Geburt des ersten Kindes vorstellen können, weiterhin Vollzeit in eine Karriere zu investieren. Dieses Modell entspricht der sogenannten «greedy work». Gierige Arbeit kann definiert werden als eine Arbeit, bei der pro Stunde unverhältnismäßig mehr gezahlt wird, wenn jemand eine größere Anzahl von Stunden arbeitet oder weniger Kontrolle über diese Stunden hat. Spitzenkarrieren entsprechen dieser «greedy work». Personen müssen ständig erreichbar sein, im Notfall sofort verfügbar sein, an Abenden und den Wochenenden arbeiten, umzugsbereit sein etc. Insgesamt ist die Bereitschaft für diese «greedy work» bei den befragten Männern und Frauen gering. Wenn man allerdings berücksichtigt, dass es gerade in heutigen Gesellschaften verhältnismässig wenige Positionen zu vergeben gibt, die «greedy work» erfordern, relativiert sich dieses Bild. So gesehen existiert immer noch ein Überangebot an Personen, die prinzipiell auch nach Familiengründung bereit wären, solche Jobs zu übernehmen. Allerdings äussern 15% der befragten Männer den Wunsch auch nach Familiengründung «greedy work» zu verrichten. Hingegen nur 6.3% der jungen Frauen. Damit kommen auf 3 Männer nur 1 Frau. Dies entspricht exakt dem Frauenanteil in Spitzenpositionen, solange keine positive Diskriminierung für einen höheren Anteil an Frauen sorgt. Es besteht somit Luft nach oben – und zwar hinsichtlich der Frauen, die ihr Angebot erhöhen sollten. Dies bedingt allerdings wiederum Männer, die solche Rollenmodelle mittragen . Wie oben gezeigt, widerspricht dies aber den traditionellen Rollenvorstellungen der Männer aber auch den Wahlentscheidungen der Frauen.

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    Starke Varianz der Bereitschaft zu «greedy work» nach Sektoren

    Interessant ist zudem eine Betrachtung der Sektoren, in denen sich die Frauen und Männer eine Berufstätigkeit vorstellen können, und der Bereitschaft zu «greedy work». Den grössten Männerüberschuss beobachten wir erwartungsgemäss in den Naturwissenschaften, IT und Technik. Hier kommen 5.07 Männer auf 1 Frau. Auch in Medizin, Wirtschaft und Forschung & Lehre gibt es ein deutliches Überangebot an Männern. Dieses Überangebot geht deutlich zurück im Bereich Verwaltung & Politik. Hier kommen "nur" noch 1.8 Männer auf 1 Frau. Im Bereich Kultur & Soziales dreht sich das Verhältnis sogar leicht um: 0.92 Männer kommen auf 1 Frau. Was in diesen Zusatzauswertungen deutlich wird, ist die horizontale Gendersegregation auf Arbeitsmärkten. Je sozialer und/oder arbeitsplatzsicherer ein Sektor ist, um so höher ist auch das Angebot an Frauen.

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    Aber Achtung: Die Zahlen oben beruhen allein auf den angegebenen Wünschen der Studierenden. Hier kann sich noch viel ändern, je nachdem wie erfüllend ein Beruf ist, wie Partnerschaften gewählt werden und sich entsprechend entwickeln (siehe Ausführungen oben) und je nachdem wie stark in Märkte eingegriffen wird (z.B. durch positive oder negative Diskriminierung).

    Fazit


    Geschlechterrollen sind auch unter heutigen jungen Frauen und jungen Männer weiterhin verankert. Diese verhindern,  dass Frauen zu gleichen Anteilen auf Spitzenpositionen vertreten sind wie Männer.