Rezension: "Wie ist es, eine Fledermaus zu sein?" von Thomas Nagel

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    Neben dem kurzen Einführungsbuch «Was bedeutet das alles? Eine sehr kurze Einführung in die Philosophie» gibt es einen weiteren Artikel des Philosophen Thomas Nagel, welcher sich zum Einstieg eignet: «What is it like to be a bat?/ Wie ist es, eine Fledermaus zu sein?». Er behandelt insbesondere das Leib-Seele-Problem und das Bewusstsein. So hinterfragt Nagel mit seinem Aufsatz den Reduktionismus. Dieser  sagt aus, dass alles auf seine Einzelteile reduziert werden kann. Im Bezug auf das Bewusstsein bedeutet das, dass unsere mentalen Vorgänge und Erfahrungen auf das physische Gehirn mit seinen physischen Vorgängen reduziert werden können. Nach dieser – und ähnlichen Theorien (Physikalismus, Materialismus) – wird es irgendwann möglich sein, das Bewusstsein physisch genau zu erklären. Gegner dieses Ansatzes bezweifeln, dass das Bewusstsein auf physische Prozesse reduziert werden kann und behaupten, dass man niemals das Bewusstsein genau festmachen werden kann. Ein Anhaltspunkt  für diese These könnte sein, dass wir bereits Dinge über weit entfernte Galaxien wissen, aber nicht darüber, wie Bewusstsein entsteht und auf was es zurückzuführen ist – es also unwahrscheinlich ist, dass je eine physikalistische Erklärung davon angeboten werden kann

    Nagel beginnt damit, das Bewusstsein mit Erfahrung zu verknüpfen: «Die Tatsache, dass ein Organismus überhaupt bewusste Erfahrung hat, heisst im Wesentlichen, dass es irgendwie ist, dieser Organismus zu sein» (1). Wenn der Physikalismus/Reduktionismus wahr ist, dann muss er neben objektiver Erfahrung auch subjektive Erfahrung erklären können. Nagel nimmt als Beispiel Fledermäuse und fragt, wie es wohl wäre, eine Fledermaus zu sein. Fledermäuse haben eine Art Radar- oder Echolotortung, mit der sie ihre Umgebung wahrnehmen. Dieser uns unbekannte Sinn ermöglicht es Fledermäusen die Grösse, Gestalt, Abstände und Bewegung von Gegenständen in tiefster Dunkelheit wahrzunehmen. Egal wie viel wir über das Funktionieren dieser Ortung herausfinden, so werden wir nie wissen, wie es ist, eine Fledermaus zu sein und die Welt auf diese Weise wahrzunehmen. Ein weiteres gutes Beispiel wären hier Tiere, welche Farben wahrnehmen, die wir nicht sehen können. Ist es möglich, sich vorzustellen, wie diese Farben für Tiere aussehen?

    Nagel argumentiert  jedoch nicht, dass wir uns niemals in die Erfahrung eines anderen hineinversetzen können. Sind sich die Organismen oder Vorgänge ähnlich, so kann man gewisse Teile davon erfahren. Ob man aber die Erfahrung als Ganzes komplett teilen kann, ist ungewiss. Ein Freund kann mir von einer traumatischen Erfahrung erzählen, bei welcher ich verstehen kann, wie er sich dabei gefühlt hatte. Aber weiss ich deswegen, wie es sich anfühlt, er zu sein? Nagel schliesst nicht aus, dass Physikalismus wahr sein könnte. Er unterstreicht lediglich, dass wir weit davon entfernt sind, subjektive Erfahrungen und Bewusstsein als solches mit physikalischen Prozessen erklären zu können. Für ihn sind Befürworter dieser Theorie vergleichbar mit einem vorsokratischen griechischen Philosophen, der aussagt, dass Masse Energie ist.

    Fazit:

    Nagels Aufsatz ist entgegen seiner Kürze einer der einflussreichsten Aufsätze in der Phänomenologie und der Philosophie des Geistes unabhängig davon, welche Position eingenommen wird. Aufgrund der Kürze des Artikels lohnt sich auch für Philosophieanfänger:innen das Lesen dieses Artikels. Es erklärt das Bewusstseins-Problem in einer praktischen Art und Weise. Da es zahlreiche Antworten von anderen Philosoph:innen gibt, können Gegenpositionen bei weiterem Interesse gelesen werden. (2)

     

    Literaturverweise:

    (1)   Nagel, Thomas (2007): Wie ist es, eine Fledermaus zu sein? In: Bieri, Peter (Hg.). Analytische Philosophie des Geistes, 261-275, S. 262.

    (2) Bertram, Georg (2012): Philosophische Gedankenexperimente. Ein Lese- und Studienbuch, Stuttgart, S. 326.