Themendossier Wahrnehmung der Wissenschaft

Wie ist die gesellschaftliche Wahrnehmung von Wissenschaft? Diese Frage lässt sich nicht leicht beantworten: Ist sie von Misstrauen geprägt? Oder von Unwissen über die Funktionsweise von wissenschaftlicher Forschung? Muss Wissenschaft grundsätzlich einen Nutzen für die Gesellschaft haben?

·

    Dass die Verantwortung des Menschen mit den technologischen Möglichkeiten mitwächst, lässt sich nicht bestreiten. Aber lässt sich überhaupt noch eine klare Trennung zwischen Leben und Technik ziehen?

    Dossier jetzt downloaden!                              Dossier jetzt im Browser lesen!

    Wahrnehmung der Wissenschaft

    Dass die Verantwortung des Menschen mit den technologischen Möglichkeiten mitwächst, lässt sich nicht bestreiten. Aber lässt sich überhaupt noch eine klare Trennung zwischen Leben und Technik ziehen? Sobald technologische Errungenschaften es ermöglichen, die menschliche Befindlichkeit oder Wahrnehmung zu „verbessern“, scheint der Gegensatz zu verschwinden und technisches Leben und lebendige Technik zu entstehen. All dies wird durch die Wissenschaft ermöglicht. Wie begegnet die Gesellschaft diesem Phänomen, das unüberschaubar zu sein scheint und neben allen positiven Effekten den Menschen auch vor neue Probleme stellt? Gibt es ein Misstrauen? Und wenn ja, auf was richtet sich dieses Misstrauen tatsächlich? Derartige Fragen werden in diesem philosophischen Themendossier diskutiert, aber auch die Voraussetzungen dafür beleuchtet. Anhand welcher Kriterien sich wissenschaftliches Wissen von Alltagswissen unterscheiden lässt und welche wissenschaftliche Disziplin sich mit den ethischen Fragestellungen der wissenschaftlichen Entwicklungen befasst, wird ebenso untersucht wie durch Fallbeispiele gezeigt wird, wie Wissenschaft heute funktioniert oder mit welchen Inhalten sich Wissenschaftsethik befasst.


    Auch wenn nicht alle Standpunkte der gesellschaftlichen Wahrnehmung aufgenommen werden können, sondern an dieser Stelle eher die negativen Emotionen und Geisteshaltungen gegenüber der Wissenschaft ins Zentrum gerückt werden, wird trotzdem eine eindeutige Konsequenz klar: Die wissenschaftlichen Erkenntnisse entstehen und existieren nicht in einer abgeschlossenen Sphäre, sie haben einen starken Einfluss auf das Leben jedes einzelnen Menschen. Dass dadurch auch die Öffentlichkeit ein grosses Gewicht für die Legitimation der Wissenschaften erhält und als Gesellschaft deren positive und negative Konsequenzen zu tragen hat, wird auch im das Dossier abschliessenden Kapitel „Wissenschaftsvermittlung“ klar. Wissenschaft scheint hinter dem Rücken der Gesellschaft betrieben zu werden, auch wenn es zahlreiche Bemühungen und Aktivitäten gibt, welche der Öffentlichkeit die Möglichkeit bieten, einen Einblick zu gewinnen. – Der Mensch scheint durch die rasante technologische Entwicklung aber nicht nur vor ethische Fragen gestellt zu sein, sondern auch vor völlig neue Perspektiven hinsichtlich Begriffen wie „Leben“, „Natürlichkeit“ oder „Zukunftsverantwortung“. Das philosophische Themendossier bietet einen Gedankenanstoss, sich mit solcherlei Fragestellungen auseinanderzusetzen und dient nicht zuletzt – ganz im Sinne der Wissenschaftskommunikation – auch dazu, zu zeigen, was wissenschaftliche Philosophie eigentlich ist.

    Kommentar eines Users

    Anja Leser stellt in diesem Themendossier die Frage: "Aber lässt sich überhaupt noch eine klare Trennung zwischen Leben und Technik ziehen?". Das ist in der Tat in den heute üblichen Denkgewohnheiten bzw. durch die so erzeugten kategorialen Bedingungen ein Problem – aber m.E. juckt es noch zu wenig, weil das Hochgefühl der Manipulierbarkeit (in den Life Sciences nun durch Gentechnik) noch zu wenig Schaden angerichtet und dadurch kaum Zweifel am Grundlegenden erregt.


    Durch das Buch 'Systematische Ganzheitlichkeit' kann klar erkennbar werden, wo die Grenze liegt und wie sich der Gesamtzusammenhang fruchtbar angehen lässt. Schon der darin mit enthaltene Artikel 'Conceptual Conditions for Conceiving Life' (S. 207-252, aus dem Jahr 2000) bietet einiges, was aus Ihren Literaturhinweisen nicht erschliessbar wird.


    Überhaupt wird sich die Problematik um die Ganzheitlichkeit im strengen Sinne zunehmend als wichtig erweisen, in allen Bereichen der Wissenssuche. Hier wollte ich Sie nur nochmals auf eine konkrete Denkbarkeit in dieser Richtung hinweisen. Dass bereits im Umgang mit der eigenen Gedankenwelt (Leben in höchster Form!) die Manipulation das Kernproblem erzeugt, fällt noch nicht auf. Logik fasziniert viele als formale, obwohl sich keine davon mit ihren inhärenten Mitteln fundieren lässt (siehe z.B. Gödel); die rein inhaltliche Logik (etwa seit Hegel ein Thema) steht am Rande, und die Betrachtung der mentalen Nicht-Manipulation mit den dahinter stehenden Grundgesetzen der Logik hat praktisch noch keinen Platz. Selbst der Schweizerische Wissenschafts- und Innovationsrat ist etwas taub auf diesem Ohr. Schade dass so die beschränkten Verständnisformen noch fröhliche Urständ feiern dürfen. 

     

    Quellenverzeichnis des Themendossiers:

    1. Paul Hoyningen-Huene, „Was ist Wissenschaft?“ in: Lebenswelt und Wissenschaft, Deutsches Jahrbuch Philosophie, Band 2, Hrsg. Carl F. Gehtmann, Felix Meiner Verlag, Hamburg 2008, S. 557
    2. ebenda, S. 558
    3. ebenda
    4. vgl. ebenda, S. 560
    5. ebenda
    6. ebenda, S. 562
    7. ebenda
    8. Albert Einstein, „Physik und Realität“, 1936, in: Aus meinen späten Jahren, Neu Isenburg, 2005, S. 63-105
    9. Albert Einstein, „Bertrand Russell und das philosophische Denken“, in: Albert Einstein – Mein Weltbild, Hrsg. C. Seelig, Frankfurt 1964, S. 39
    10. Hans Poser, Wissenschaftstheorie, Reclam, Stuttgart 2009, S. 9
    11. Der Duden: Philosophie, Dudenverlag, Mannheim 2002, S. 431
    12. Andreas Bartels und Manfred Stöckler, Wissenschaftstheorie, Mentis Verlag, Paderborn 2009, S. 7
    13. Michael Esfeld, „Kausalität“, in: Wissenschaftstheorie, Mentis Verlag, Paderborn 2009, S. 89
    14. Carl Friedrich Gethmann, „Wissenschaftsforschung?“, in: Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsforschung, Hrsg. Peter Janich, Verlag C.H. Beck, München 1981, S. 9
    15. Der Duden: Philosophie, Dudenverlag, Mannheim 2002, S. 427
    16. Vgl. Hans Günther Russ, Wissenschaftstheorie, Erkenntnistheorie und die Suche nach Wahrheit, W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart 2004, S. 7-13
    17. Hans Poser, Wissenschaftstheorie, Reclam, Stuttgart 2009, S. 16
    18. Helmut Schmidt, „Forschung heißt, Verantwortung für die Zukunft zu tragen“, Die Zeit, 17.1.2011, online auf: http://www.zeit.de/2011/03/100-Jahre-KWG-Rede/seite-1
    19. H.J. Schuster, „Technologische Zivilisation und Zukunftsverantwortung“, in: Handbuch des Wissenschaftstransfers, Springer Verlag, Berlin 1990, S. 2
    20. ebenda
    21. ebenda, S. 3
    22. ebenda, in Verbindung mit Hans Jonas, Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilsation, Frankfurt am Main, 1984, S. 28ff.
    23. Ruag baut Militärroboter, aus 10 vor 10, 24.09.2012, online auf http://www.srf.ch/player/tv/10vor10/video/ruag-baut-militaerroboter?id=45857cd5-dae6-441c-a3f2-dd0150777da9
    24. J. Mittelstrass, „Zur gesellschaftlichen Wahrnehmung von Wissenschaft“, in: Handbuch des Wissenschaftstransfers, Springer Verlag, Berlin 1990, S. 45
    25. Vgl. Hans Jonas: Das Prinzip Verantwortung: Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation. Frankfurt/M. 1979. Neuauflage als Suhrkamp Taschenbuch, 1984 [u.ö.], ISBN 3-518-39992-6.
    26. Armin Grundwald: „Technik und Leben – zur neuen philosophischen Aktualität eines klassischen Themas“, in: Lebenswelt und Wissenschaft, Deutsches Jahrbuch Philosophie, Band 2, Hrsg. Carl F. Gehtmann, Felix Meiner Verlag, Hamburg 2008, S. 113
    27. Digitale Welt – Philosophisches Themendossier“, Swiss Philo- sophical Preprint Series #107, 28.08.2013, ISSN 1662937X
    28. Armin Grundwald, „Technik und Leben – zur neuen philosophischen Aktualität eines klassischen Themas“, S. 113
    29. Mathias Gutmann, „Leben und Technik“, in: Lebenswelt und Wissenschaft, Deutsches Jahrbuch Philosophie, Band 2, Hrsg. Carl F. Gehtmann, Felix Meiner Verlag, Hamburg 2008, S. 142
    30. http://www.ipcc.ch/
    31. http://www.ipcc.ch/working_groups/working_groups.shtml#.UqiN2I3u3wg
    32. http://www.climatechange2013.org/images/uploads/FS_review_process.pdf
    33. http://www.climatechange2013.org/
    34. Siehe die Frage: „Does the IPCC conduct its own research? No, the IPCC does not conduct its own research. It reviews and assesses the most recent scientific, technical, and socio-economic information produced worldwide relevant to the understanding of climate change.“ http://www.climate2013.org/images/uploads/WG1AR5_Questions.pdf
    35. http://www.climatechange2013.org/images/uploads/WG1AR5_Headlines.pdf
    36. Vgl. Pressemitteilung „Human influence on climate clear, IPCC report says“ vom 27. September 2013 des IPCC, online auf: http://www.ipcc.ch/news_and_events/docs/ar5/press_release_ar5_wgi_en.pdf
    37. Zitat von Thomas Stocker vom 25.11.2013 in Bern, Vortrag „Experten, Meinungsmacher und Lobbyisten: Die Klimadebatte und die Rolle der Klimaforschung“. Mehr Informationen zum Vortrag: http://events.scnat.ch/proclim/index_en.php?id=17839
    38. Hans Poser, Wissenschaftstheorie, Reclam, Stuttgart 2009, S. 16
    39. Dominic Roser und Christian Seidel, Ethik des Klimawandels, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2013, S. 4
    40. ebenda
    41. Vgl. ebenda, S. 4 - 10
    42. ebenda, S. 6
    43. ebenda, S. 7
    44. ebenda, S. 8
    45. ebenda, S. 15
    46. ebenda
    47. Wedig Kolster, Eine Kritik der Wissenschaft aus der Anerkennung der Wahrnehmung als Wissen, Duncker & Humblot, Berlin 2011, S. 7
    48. ebenda
    49. ebenda, S. 41
    50. ebenda, S. 143
    51. Handbuch der Wissenschaftskommunikation, Beatrice Dernbach, Christian Kleinert, Herbert Münder (Hrsg.), Springer Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-531-17632-1, S. 2
    52. H. J. Schuster, Vorwort im Handbuch des Wissenschaftstransfers, Springer Verlag, Berlin 1990
    53. Hans Jonas, Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation, Frankfurt a.M., 1984, S. 28
    54. Alle Glossareinträge aus Wikipedia