Since that's probably not the whole picture
Mit einem stummen Schrei
schrecke ich auf.
Alles um mich herum scheint sinnlos und falsch.
Ich erscheine mir sinnlos im eigenen Fleisch.
Die Menschen um mich herum.
Alles Gefühl aufgesetzt.
Jede Miene gespielt.
Alle Pflicht künstlich.
Aller Sinn dahin.
Alle Lust.
Alles.
Leben.
Wieso leben?
Wieso leben wir so?
Wieso leben wir mit so viel Sinn?
Wieso eifern wir unseren täglichen Aufgaben nach,
als wäre sie so unglaublich wichtig und relevant für das Leben?
Das ergibt doch alles keinen Sinn.
Sich Sinn zu machen.
So versteift zu sein auf diese Welt.
Nur weil es die unsere ist.
Wir nehmen uns viel zu ernst.
Dabei sehen wir nur das sichtbare Licht.
Doch das Spektrum ist so viel größer.
Sehen nur eine Peanut auf dem Highway von LA bis NY.
Und nennen es „alles“.
Und auch wenn wir es vielleicht nie
wirklich werden sehen können,
so können wir doch in unserem Kopfe
Bilder anderer Farben malen.
So eingeengt ist unser Blick meist auf diese Welt.
Sehen nur in unserer Skala.
Das, was ins Bild passt und
normal scheint.
Normal – ich
Hasse
Dieses Wort.
Normal –
bedeutet in der Mathematik für eine Matrix,
dass ihre Verknüpfung mit ihrer komplex
konjugierten und transponierten Matrix kommutativ ist.
Dass sie praktisch Hand in Hand geht mit dem von ihr
einmal umgekehrten und verdrehten.
Und dass ganz egal ist, was vorne steht.
Was man zuerst auf die Elemente dieser Welt loslässt.
Vielleicht sollten wir diese Art von normal
auch mal ausprobieren,
nicht wahr?
Einfach mal auf den Kopf stellen
und alles in sich umdrehen,
den eigenen komplexen Teil
auf den Kopf stellen.
Und damit in die Welt gehen.
Vielleicht sehen wir ja so
viel mehr?
Sehen wir unsere Hände nicht als Werkzeuge,
sondern unfassbare Meisterwerke;
Und sehen die Wellen auf dem Wasser
als mathematische Gleichungen in Bewegungen;
Sehen unsere Muskeln nicht als ein Schönheitsmerkmal,
sondern als das faszinierende Zusammenspiel
von Willensstärke und mikroskopischen Vorgängen;
Sehen die Welt nicht als endloses Bühnenbild,
sondern als nichtigen Ball, der durch die Weiten rast.
Und mir macht es manchmal gar Angst,
dass wir all das so hinnehmen,
gar lästig finden und nur
von Tag zu Tag hasten.
Uns das Ende ersehnen
oder vor Blick aufs Ziel im Ende rechts und links
vergessen.
Es bereitet mir Furcht, dass all das
nicht mehr zum Staunen bringt,
sondern vertraut geworden ist.
Langweilige Tapete geworden ist.
Unser Bühnenbild ist schon so viele Vorstellungen alt
und wir haben uns daran gewöhnt.
Aber wieso nicht mal ein Neues hinhängen?
Schauen, ob es rissig geworden ist?
Schauen, wer es eigentlich gemalt hat?
Nur weil es schon von Vorspiel zu Vorspiel dort hing
und nie abgenommen wurde…
Und wessen Skript spielen wir da eigentlich?
Haben wir es selbst geschrieben?
Schreiben wir es noch?
Oder spielen wir es nur nach,
so im Spiel verfangen, verhangen,
dass wir es wie von innen heraus freiwillig aufführen.
Und ich weiß, was soll das ändern,
wirst du mich fragen.
Wieso fragen, wenn die Antwort
nicht nah?
Wenn es mir hier gefällt?
Ich mich eingelebt habe?
Sicher, du wurdest aus Schauspieler geboren
und kannst nur schwerlich während der Aufführung
hinter die Kulissen schauen und den Vorhang abreißen.
Daran, wie du dein Spiel spielst, wird sich wenig ändern.
Du hast dich daran gewöhnt, alle Bewegungen einstudiert und
kennst dich aus auf diesem Präsentierteller.
Vor allem ändert dein Unwissen nichts daran.
Aber allein der
Gedanke daran?
Gedanken.
Die sind uns so übermächtig.
Ich würde mein Spiel anders spielen.
Mit mehr Leidenschaft, würde mehr riskieren, authentischer spielen.
Vielleicht würde ich dieses eine Gesicht im Publikum erkennen,
das dem meinen so sehr gleicht.
Und die Blumenranken, die detailliert
den Boden einrahmen.
Oh, wie sehr mich der Gedanke an den
Rest des Spektrums doch so außer Halt bringt.
Wie soll ich weiter so eingeschränkt leben können,
wenn doch meine Gedanken ja so gigantisch atmen,
und über meine Schranken hinausreichen, an meine Grenzen hämmern,
mir den Kopf schmerzen lassen und sich doch letztendlich immer ihren Weg
suchen werden.
Wie kann ich ihnen den
Raum geben, den sie verdient haben.
Wie befreie ich mich aus den Schranken meiner
eigenen Eingeschränktheit und falle in die weiten Arme der Freiheit?
Wie kann ich mich in die Weiten begeben, ohne Halt verlieren zu müssen mit meinen Gitterstäben, in denen wir alle aufwachen. Denn wenn ich einmal loslasse –
ich weiß nicht, was dann passieren würde.
Ich würde von Welt zu Welt schweben.
Zwischen Welten hängen.
Aber keine mehr als
meine bezeichnen
können.
Doch wie kann ich nun meine Hand
nach all den Welten, all der Weite ausstrecken,
die Freiheit, das Potential an meinen Fingerkuppen kitzeln spüren?
Denn ich leben nunmal in diesem Käfig,
den wir unsere Heimat,
unsere Welt nennen.
Weil wir nunmal nicht für mehr gebaut sind.
Wie kann ich von den süßen, absurden Gedanken der Weiten kosten,
ohne den Geschmack für
meine Welt zu
verlieren.
Die einzige Lösung liegt im Widerspruch.
In der Normalität des Widerspruchs.
In der Akzeptanz dessen.
In der Gleichzeitigkeit
von Gegensätzen.
In der Erkenntnis,
dass sie gar nicht so
widersprüchlich sind.
Ich will dies widerspruchsfrei erläutern.
Musik.
Kennst du nicht die Stärke, die Macht der Musik?
Wie sie dieselbe Situation in ganz anderes Licht tauchen kann?
Wie viel Kraft man aus Musik schöpfen, wie ohnmächtig man sich durch sie
fühlen kann?
Und dabei bleiben wir immer dieselbe Person.
Bleibt die Welt um uns herum dieselbe.
Aber wir können sie zu einer ganz anderen machen.
In Sekundenschnelle.
Woher weiß Ich dann,
wie die Welt wirklich ist?
Woher weiß ich, was wahr ist?
Woran ich glauben kann?
Wenn sich Wahrheit im Klang wandeln kann?
Wenn ich meine so schnell zu einer anderen machen kann?
Ganz genau.
Das alles ist
die gleiche Welt.
Das alles stimmt.
Und ist gleichzeitig nicht wahr.
Indem wir an alles gleichzeitig glauben
und nichts für wahr halten.
Alles annehmen und nichts für einzig halten.
Nur so können wir möglichst viel von dem Spektrum kosten.
Und gleichzeitig in dieser Welt leben.
Weil sie ein Teil des Potentials ist.
Genauso faszinierend wie die Gedanken an die Weiten.
Und so kann ich die verschiedenen Welten alle in diese eine holen.
In die meine.
Markus Gabriel hat schon recht:
Die Welt existiert nicht.
Und auch Nitzsche gebe ich recht:
nihil. Nichts. Für nichts.
Aber wir können sie erfinden.
Wir sind unfassbar mächtig.
Unfassbar reich.
Weil wir uns jeden Tag neue Welten erschaffen können.
Und nicht nur eine einzige.
Und unseren eigenen Sinn.
Sinn in Sinnlosem.
Das ist mehr als alles.
Damit kann ich leben.
Wenn sie also sagen:
so siehts die Welt aus.
Wenn sie sagen:
seeing is believing.
That’s probably not the whole picture.
Und mit einem
erstaunten Laut
erwache ich.
Und sehe –
Endlich
mehr.