Ein Artikel vom Bund

Sohn verklagt Eltern wegen Zeugung

Philosoph Raphael Samuel hasst das Leben – und fordert Entschädigung.

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    Gewisse Fans der Zeichentrickserie «Die Simpsons» sind ja der Ansicht, ihre Lieblingssendung ergründe den Sinn des Lebens, und mehr noch: Die Simpsons könnten die Zukunft voraussagen.

    In diesem Sinn könnten sie den Frosch der 270. Episode anno 2001 als Voraussage deuten – als Prophezeiung des Antinatalisten unserer Tage. Bart Simpson zaubert als unfähiger Magier einen Frosch herbei, dem die Existenz jedoch eine reine Qual ist. Er möchte so nicht leben, sagt der Frosch zu Simpson.

    Der Klimawandel ist das beste Argument der Antinatalisten. Wie, fragen sie in die Runde, soll bitteschön ein sinnvolles Leben aussehen, wenn Naturwissenschaftler ihren Rechner anwerfen, alle Faktoren berechnen und zum Schluss kommen: Bald ist aus die Maus?

    «Eine Menge Unannehmlichkeiten»

    Der indische Philosoph Raphael Samuel ist ein besonders radikaler Antinatalist. Er verklagte seine Eltern dafür, dass sie ihn gezeugt haben, der 27-jährige Unternehmer und Philosoph aus Mumbai fordert eine Entschädigung. Der Prozess findet nächstes Jahr statt, symbolisch geht es um eine Rupie. Diese Woche erklärte Samuel im grossen Interview mit dem deutschen Wirtschaftsmagazin «Brand eins», das Leben sei sinnlos. «Es führt zu nichts. Egal, was ich auf Erden erreiche, am Ende werde ich sterben. Und auf dem Weg dahin widerfahren mir eine Menge Unannehmlichkeiten.»

    Für die Erde andererseits seien wir bloss ein «Ausschlag» und eine «Plage», erklärt Samuel, der jeweils mit aufgeklebtem Bart und Sonnenbrille referiert und mit seinen antinatalistischen Videos auf Youtube Hunderttausende Klicks holt. In seinem Heimatland Indien, wo die Familie einen extrem hohen Stellenwert hat, sind seine Aussagen eine besondere Provokation. Die Verkleidung dient Samuel als Test seines Publikum und seiner Argumente: «Wer zuhört, obwohl ich komisch daherkomme, der ist ein wertvoller Zuhörer.» Auf Facebook zeige er durchaus sein Gesicht.

    Gute Beziehung zum Ende aufbauen

    Samuel ist nicht der erste Philosoph, der der Menschheit empfiehlt, sich nicht mehr fortzupflanzen. Arthur Schopenhauer sah in der Zeugungsverweigerung einen Akt der Willensstärke, mit Immanuel Kants Lehre ist das abrupte Hineinwerfen ins Leben schwer vereinbar, und Karl Popper gewichtete Leid stärker als Glück. Zu den Klassikern kamen in den letzten Jahren, Jahrzehnten viele neue Bewegungen und Philosophen, die ein mehr oder weniger rabiates Aussterben der Spezies propagieren. Manche Theorien machen kurz vor dem Selbstmord Halt. Samuel sagt im Interview mit «Brand eins», er wolle nun eine gute Beziehung zum Lebensende entwickeln.

    Vorerst steht aber noch der Prozess gegen seine Erzeuger an. Dass Raphael Samuel mit seiner Klage Erfolg hat, ist allerdings unwahrscheinlich. Seine Eltern sind Anwälte.