"Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt"

Wittgenstein

Ludwig Josef Johann Wittgenstein war ein bedeutender Philosoph des 20. Jahrhunderts und seine Werke üben bis heute einen grossen Einfluss auf die Philosophie aus

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    Eine kurze Biographie

    1889 wurde Ludwig Wittgenstein als Sohn eines reichen Unternehmers in Wien geboren. Nach einem abgebrochenen Maschinenbau-Studium begann Wittgenstein Philosophie zu studieren, unter anderem bei Bertrand Russell, ein bedeutender Philosoph des 20. Jahrhunderts. Ab 1912 begann Wittgenstein an seinem ersten Werk zu arbeiten, die „Logisch-philosophische Abhandlung“. Zwischendurch nahm Wittgenstein als Freiwilliger am ersten Weltkrieg teil. Nach dem ersten Weltkrieg wurde die „Logisch-philosophische Abhandlung“ veröffentlicht. Er wandte sich zunächst von der Philosophie ab und wurde Volkshochschullehrer. Im Jahre 1929 nahm er seine philosophische Tätigkeit wieder auf und forschte an der Universität Cambridge. Dort verfasste er viele Notizen, die später zum Werk „Philosophische Untersuchungen“ führten, das allerdings erst nach dem Tod von Wittgenstein veröffentlicht wurde. 1939 wurde Wittgenstein Professor an der Universität Cambridge und starb 1951 an Krebs.

     

    Der frühe Wittgenstein

    Wittgenstein verwarf später in seinem Leben einige Gedanken seines Erstwerks „Logisch-philosophische Abhandlung“. Deshalb unterscheidet man oft zwischen dem „frühen Wittgenstein“ und dem „späten Wittgenstein“. Was war die Philosophie des „frühen Wittgensteins“?


    Die Bildtheorie

    Wittgenstein beschäftigte sich mit der Frage, wie sich Gedanken und Sätze zur Welt verhalten. Seine These war, dass Sätze und Gedanken sich so zur Welt verhalten, wie Bilder sich zur Welt verhalten: So wie die Farbflecken auf dem Bild Menschen, Steine, Häuser oder Bäume repräsentieren, so repräsentieren Wörter in Sätzen Menschen, Steine, Häuser oder Bäume. Und so wie die Farbflecken in einem bestimmten Verhältnis zu anderen Farbflecken stehen, so stehen Wörter in unseren Sätzen in einem bestimmten Verhältnis zu anderen Wörtern. Wir können sagen, dass ein Bild wahr ist, wenn die Verhältnisse der Farbflecken den Verhältnissen der Welt entsprechen. Wenn ein Bild zeigt, wie die Kirche links vom Marktplatz steht, dann ist das Bild wahr, wenn die Kirche tatsächlich links vom Marktplatz steht. Genauso können wir sagen, dass ein Satz wahr ist, wenn die Wörter und ihre Verhältnisse zueinander der Welt entsprechen. Der Satz „Paul liebt Helga“ ist wahr, wenn Paul tatsächlich Helga liebt. Mit etwas anderen Worten: Ein Satz beschreibt eine Situation, er sagt uns, was der Fall ist oder was nicht der Fall ist.


    Überlegungen über das Verhältnis von Sprache und Welt beginnen oft mit Überlegungen über Gegenständen und ihre Namen. Wenn ich nicht weiss, was ein Stuhl ist, dann muss ich zuerst lernen, für was das Wort „Stuhl“ steht. Ich muss die Bedeutung des Worts „Stuhl“ kennen lernen. So weit, so gut. Doch wie sieht es mit Sätzen aus? Was ist die Bedeutung eines Satzes? Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass die Bedeutung eines Satzes ähnlich wie die Bedeutung eines Wortes ist: Das Wort „Stuhl“ steht für Stuhl und der Satz „Dieser Stuhl ist rot“ steht für einen roten Stuhl. Doch müssten wir demnach nicht jedes Mal die Bedeutung eines Satzes lernen, wenn wir einen Satz hören, den wir noch nie zuvor gehört haben? Das scheint nicht der Fall zu sein, denn wir Menschen sind durchaus in der Lage, Sätze zu verstehen, die wir noch nie zuvor gehört haben. Und die Bildtheorie von Wittgenstein liefert hierzu eine Antwort: Sätze bezeichnen eben nicht Dinge oder Gegenstände, sondern sie beschreiben Situationen, bzw. wie sich Dinge oder Gegenstände zueinander verhalten. Sobald wir also die jeweiligen Wörter eines Satzes kennen, können wir den Satz auch verstehen.

     
    Analyse und Elementarsätze

    Wie lässt sich Wittgensteins Bildtheorie auf unseren Alltag anwenden? Viele Wörter, die wir verwenden, stehen nicht für ein Ding oder für einen Gegenstand, wie zum Beispiel „Volk“, „Nation“, „Tiere“ und viele Wörter sind überhaupt keine Namen, wie etwa Verben, Adjektive, Adverbien oder Attribute. Ausserdem scheinen wir Sätze für mehr zu gebrauchen, als nur für das Beschreiben von Situationen oder von Sachverhalten. Wenn der Fahrkartenkontrolleur darum bittet, dass alle Reisende ihre Fahrkarten bereithalten, dann ist seine Bitte keine Beschreibung einer Situation oder eines Sachverhaltes. Wie geht Wittgenstein damit um?

    Wittgenstein denkt, dass alle Sätze aus dem Alltag oder aus den Wissenschaften Konstrukte von sogenannten Elementarsätzen sind, bzw. dass man diese Sätze wieder auf Elementarsätze herunterbrechen kann. Falls man Sätze nicht auf Elementarsätze herunterbrechen kann, dann sind sie bedeutungslos. Mit dem Analysieren von Sätzen in Elementarsätze erhofft sich Wittgenstein, philosophische Probleme auflösen zu können, die nach Wittgenstein durch den irrigen Gebrauch der Sprache entstehen. Unsere Alltagssprache ist mehrdeutig, unklar und unpräzise und die Zerlegung unserer Alltagssprache in eindeutige und klare Elementarsätze verhindert nach Wittgenstein die Verursachung von Verwirrungen oder Unklarheiten. Interessanterweise bringt Wittgenstein keine Beispiele für Elementarsätze und er weiss selber nicht, wie solche Elementarsätze aussehen werden. Wittgenstein sieht es als Ziel der Logik an, eben solche Elementarsätze ausfindig zu machen.

     

    Der späte Wittgenstein

    Wittgenstein verwarf später seine Bildtheorie und das Projekt, Sätze in Elementarsätze zu analysieren. Stattdessen verfolgte Wittgenstein nun das Projekt, philosophische Probleme dadurch aufzulösen, indem eine übersichtliche Darstellung der Verwendung unserer Wörter gegeben wird.

     
    Übersichtlichkeit

    Der frühe Wittgenstein deutete das Verhältnis von Sprache und Welt in Form eines Bildes, dass die Welt richtig oder falsch repräsentiert. Der späte Wittgenstein kritisierte selber diese Auffassung und vertrat nun die Idee, dass Sprache weit mehr Zwecke erfüllt, als nur das Repräsentieren der Welt. Wir brauchen die Sprache auch, um Emotionen, Empfindungen und Gefühle auszudrücken, Regeln und Konventionen festzumachen oder zu diskutieren und um moralische, religiöse oder politische Haltungen oder Meinungen bekanntzugeben. Wittgenstein sah in seiner „logisch-philosophischen Abhandlung“ das Problem, dass sie eine einzelne Verwendung der Sprache herausgriff und diese eine Verwendung als das Paradigma für die gesamte Sprache verwendete. Die Erkennung dieses Problems führte Wittgenstein später zur Auffassung, dass philosophische Probleme nicht durch eine Analyse von Sätze in Elementarsätze aufgelöst werden, sondern, indem man sich die verschiedene Verwendungen der Sprachen vor Augen hält.

     
    Die Bedeutung eines Wortes und Sprachspiele

    In den „Philosophischen Untersuchungen“ sagt Wittgenstein: „Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache.“(§43) Das heisst, dass, wenn wir ein Wort verstehen wollen, wir die Regeln lernen müssen, wie wir ein Wort anzuwenden haben. Wittgenstein vergleicht die Sprache mit einem Spiel: Wenn wir Schach spielen wollen, dann müssen wir zuerst die Regeln von Schach kennen lernen. Wir müssen wissen, welche Züge wir mit welchen Schachfiguren machen können. In diesem Zusammenhang spricht Wittgenstein von sogenannten Sprachspielen: Sprachspiele zeigen uns, wie wir Wörter anzuwenden haben und welche Anwendungen erlaubt und welche nicht erlaubt sind. Wenn wir vor einem philosophischen Problem stehen, dann rät uns Wittgenstein, uns die verschiedenen Sprachspiele anzuschauen.


    Zum Beispiel, wir benutzen das Wort „messen“, um die Distanz zweier Steine mit einer Messlatte zu messen. Ein Fehler könnte nun sein, dass Philosophen anfangen, diese eine Verwendung von „messen“ auf alle anderen Arten von Messungen zu übertragen. Nun fällt auf, dass man die Zeit nicht so messen kann, wie man die Distanz zweier Steine messen kann. Bedeutet dies nun, dass die Zeit eine Illusion ist? Doch nach Wittgenstein liegt das Problem eben darin, das Wort „messen“ nur in diesem einen, geometrischen Sinn zu verstehen. Die Frage oder das Problem, das man die Zeit nicht messen kann, löst sich auf, sobald wir uns alle Sprachspiele angeschaut haben. So sehen wir zum Beispiel, dass wir das Wort „messen“ auch dann verwenden, wenn es um Temperatur, Alkoholgehalt, Druck oder eben um Zeit geht, die wir nicht mit Messlatten, sondern mit Uhren oder Kerzen messen.


    Dies war nur ein kurzer und unvollständiger Überblick über das Leben und Werk von Ludwig Wittgenstein. Zu Ludwig Wittgenstein gibt es zahlreiche Literatur und Artikel. Eine Einführung bietet Georg Römpp an: Link zu Amazon