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Einführung
"Mach doch etwas Nützliches!" ist ein Ausruf, der vielen Philosophen oder Philosophiestudierenden nicht gänzlich unbekannt sein müsste.
Dabei zielt dieser Nützlichkeitsanspruch auf eine ökonomische Nützlichkeit ab, also ein Sinnbild für unsere momentane Gesellschaft hergibt. Nützlich ist eine Tätigkeit nur dann, wenn sie profitbringend eingesetzt werden kann. In unserer ökonomisierten, leistungsorientierten Gesellschaft werden "profitfähige" oder "profitschaffende "Wissenschaften, namentlich die Naturwissenschaften samt Medizin und Technik, in den Nützlichkeitsolymp hocherkoren, denn sie sollen das Aushängeschild des menschlichen Fortschritts sein.
Folglich werden die Philosophie, wie Geistes- und teilweise sogar Sozialwissenschaften auch, einer ungerechtfertigten Abwertung unterzogen. Denn, die ökonomische Wertung von Dingen wiederspiegelt nur einen, wenngleich auch wichtigen, Aspekt des gesamten Lebens: Der Wirtschaft. Der Wert der Philosophie jedoch beruht jedoch im möglichst allumfassenden Wissen über das ganze Leben und dessen Vielfältig- sowie Vielschichtigkeiten. Allein die Bedeutung des Wortes "Philosophie" (Liebe zur Weisheit) lässt erahnen, welche Tragweite und Ausmasse das philosophische Wissen seit den antiken Griechen bis heute angenommen hat. Dabei beruft sich die Philosophie nicht auf kulturelle Besonderheiten, sondern sie setzt auf die allgemeine Menschenvernunft und allgemeine, menschliche Erfahrung, um an ihre Erkenntnisse zu kommen. Philosophie soll als eine Denkschule verstanden werden, die mit ihrer argumentativen Klarheit, sprachlicher Präzision und methodischer Sorgfalt das Leben als solches als Gegenstand hat.
Wenn Philosophie "das Leben als solches" als Gegenstand hat, wo findet sich denn die Philosophie im Alltag wieder?
Dass die Philosophie durchaus alltagstauglich ist und lebensnahe, verständliche Wissensinhalte wiedergeben kann, zeigt sich in Büchern wie beispielsweise "Die Simpsons und die Philosophie" oder "Das Schwein, das unbedingt Gegessen werden möchte", die sogar mit einem leichten Augenzwinkern gelesen werden dürfen. Oder aber man denk an den Jugendklassiker "Sofies Welt", in dem die Geschichte der Philosophie in einen Roman verpackt wurde. Philosophie im Alltag? Natürlich! In einem lesenden Prozess, sich zu bilden, macht einen grossen Teil des Philosophierens aus.
Alle Blogbeiträge
- Was verstehen wir unter einem "Kontext"?, von Daniel Cabalzar
- Plädoyer für eine neue Ethik der Kreativität, von Dr. Johan Rochel
- Meine sieben Sachen, von Prof. Dr. Dr. Claus Beisbart
- Mehrsprachigkeit: Hindernis oder Chance für die Demokratie?, von Catherine Buchmüller-Codoni
- Übers Philosophieren zum kompetenten Kind, von Sarah-Jane Conrad
- Demokratie und ihre Experten, von Michael Ivo Räber
- Warum fasziniert Fussball?, von Prof. Dr. Paul Hoyningen-Huene
- Where are we going?, von Dr. Vanessa Rampton
- "Emma ist unreif und egozentrisch" - Gedankenexperimente und Fiktion, von Dr. Julia Langkau
- Philosophie und Alltag, von Dr. Timon Boehm
- Wozu rufen wir eigentlich auf, wenn wir zu mehr Toleranz aufrufen?, von Dr. Christian Maurer
- Macht Philosophie glücklich?, von Dr. Christoph Henning
- Was Zeit (nicht) ist und wie wir sie erleben, von PD Dr. Dr. Norman Sieroka
- Können wir uns auf die Wissenschaft verlassen?, von Dr. Karim Bschir
- Was können Philosophinnen und Philosophen der Biologie zur Suche nach Aliens beitragen?, von Franziska Wettstein
- Philosophie der Mathematik, von Prof. Dr. Giovanni Sommaruga
- Was ist Kreativität?, von Dr. Marcello Ruta
- Was sind Intuitionen und dürfen wir ihnen trauen?, von Cyrill Mamin
- Prometheia - Voraussicht als politische Tugend, von Prof. Dr. Urs Marti
- Wir verstehen, aber was heisst verstehen?, von Dr. Stefan Riegelnik
- "Der Mensch wird nur unter Menschen ein Mensch", von Dr. Silvan Imhof
- Was sind Erfahrungen?, von Franziska Wettstein
- Schwierige Entscheidungen im Alltag, von Michael Messerli
- Selbstbewusstsein und Selbstwissen, von Prof. Dr. Gianfranco Soldati
- Warum bin ich heute noch die gleiche Person wie morgen?, von David Wörner
- Logik in der Philosophie, von Dr. Susanne Huber
- Über sachliche und moralische Fehler, von Dr. Felix Timmermann
- Zum demütigenden Charakter relativer Armut, von Dr. Chris Niederhäuser
- Warum gibt es keine Philosophie der Lohngerechtigkeit?, von Dr. Carsten Köllmann
- Gibt es ein 'gutes Leben' für Unternehmen?, von Dr. Mark Sommerhalder
- Evolution und Meta-Ethik, von Fiona Dillier
- Vom Ärger und vom Staunen über das Vergessen, von Dr. Christine Abbt
- Aufgaben der Philosophie im Alltag, von Prof. em. Dr. Dr. h. c. mult. Otfried Höffe
- Philosophie als empirische Wissenschaft?, von Reto Gubelmann
- Nationalität gegen Nationalismus: Ideen für ein friedliches Europa, von Catherine Buchmüller
- Persönliche Beziehungen und ihr Platz in der Moral, von Dr. Magdalena Hoffmann
- Sich mit Ungewissenheit beschäftigen, von Miloud Belkoniene
- Philosophie der Physik im Alltag, von Franziska Wettstein
- Handeln wir überhaupt aus Gründen?, von Magnus Frei
- Was ist Blödsinn?, von Andreas Heise
- "Schau mir in die Augen, Kleines!", von Sahra Styger
- Die Erfahrung des Denkens, von Dr. Jürg Berthold
- Ethisches Entscheiden in der Politik im Beruf und im sonstigen Alltag, von Dr. Ivo Wallimann-Helmer
- Solons Weisheit und Griechenlands Schulden, von Prof. Dr. Urs Marti
- Vertrauen als Gegenstand der Philosophie, von Dr. Christian Budnik
- Der gestresste Fisch - Philosophie aus Sicht einer Biologin, von Dr. Joanna Miest
- Gut unterwegs dank des kategorischen Imperativs, von Jana Bochet
- Welt aus Substanzen, von em. Prof. Dr. Erwin Sonderegger
- Don't believe the Hype: Warum Empathie überschätzt wird, von Prof. Jan Slaby
- Nachhaltigkeit aus philosophischer Sicht, von Dr. Marius Christen & Prof. Paul Burger
- Verantwortung in der Familie am Ende eines Lebens, von Prof. Dr. C. Rehmann-Sutter
- Wut und Kritik, von Dr. Patricia Purtschert
- Der Alltag der Philosophen, von Prof. Dr. Emmanuel Alloa
- Ästhetische Erfahrung und die Rolle der Emotionen, von Dr. Susanne Schmetkamp
- Gutes Leben & Selbstbestimmte Wahl, von Sebastian Muders
- Fallbeispiel Zwergenweitwurf, von Dr. des Holger Baumann
- Erziehungssituation, von em. Prof. Dr. Anton Hügli
- Philosophie der Psychiatrie, von Jelscha Schmid
- Sollten wir aufhören, einander Vorwürfe zu machen? von Leonhard Menges
- Über die Pflicht hinaus? von Dr. Hubert Schnüriger
- Von den Segnungen des Wettbewerbs, von Prof. Urs Marti
- Eigennamen, von Prof. Markus Wild
- Ist es wichtig, wie vielen man hilft (wenn man nicht allen helfen kann)?, von Dr. Jan Gertken
- Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, von em. Prof. Dr. Annemarie Pieper
- Menschliche Schönheit im Alltag und in der Philosophie, von Dr. Lisa Schmalzried
- Zwischen Marktplatz und Elfenbeinturm, von Dr. Lisa Herzog
- Gedankenspiele, von Dr. Yves Bossart
- Ich und mein Selfie, von Prof. Andreas Brenner
- Was kann und darf Kunst?, von Prof. Dagmar Fenner
- Tatort Philosophie, von Anja Leser
Podium
Erfahren Sie mehr zu interessanten Themen wie: Gesunder Menschenverstand im Alltag? Den Alltag neu erfinden, oder gar auf den Kopf stellen? Moralismus im Alltag – warum hat Moral aktuell schlechte Karten? Verantwortung im Alltag – wie gehen wir damit um?
Podcast zum Vortrag:
Podcast zur Podiumsdiskussion:
Podcast zur Diskussionsrunde:
Revue zur Veranstaltung „Philosophie im Alltag – ist Denken Luxus?“ am 23.05.2015 im Berner Generationenhaus
Hat Philosophie, die „Elfenbeinturmwissenschaft“ par excellence, etwas mit unserem Alltag zu tun? Das grosse Interesse der rund 60 Zuschauerinnen und Zuschauer an der Veranstaltung „Philosophie im Alltag“ beantwortete diese Frage bereits vor Beginn der Diskussion positiv. Aber worin genau besteht die Bedeutung der Philosophie für unseren Alltag? Wie sich zeigte, sind die Bezüge zwischen diesen zwei Bereichen äusserst vielfältig.
Arvi Särkelä von der Universität Luzern wies in seiner Einführung auf das gleichzeitig enge und distanzierte Verhältnis zwischen Philosophie und Alltag hin: Jede Philosophie beginnt im Alltag, jede philosophische Reflexion setzt zunächst bei unseren Alltagsüberzeugungen an. Doch die Philosophie geht auch noch einen Schritt weiter, indem sie, anders als andere Disziplinen, ihre eigene Distanzierung vom Alltag ebenfalls wieder als Untersuchungsgegenstand begreift. Als wollten sie diese These bestätigen, wurde die Entfernung der Philosophie vom Alltag von den drei Gästen auf dem Podium kritisch hinterfragt. Barbara Bleisch von der „Sternstunde Philosophie“ wies etwa darauf hin, dass sich gewisse philosophische Themen einfach aufdrängen: So taucht beim täglichen Anstehen in der Mensa die Frage nach der moralischen Rechtfertigung von Fleischkonsum fast automatisch auf. Barbara Schmitz von der Universität Basel fügte ihrerseits das Beispiel der Klimagerechtigkeit an: Um zu entscheiden, wie wir heute auf den Klimawandel reagieren sollten, müssen wir uns fragen, welche berechtigten Ansprüche zukünftige Generationen an uns stellen können. Und schliesslich, so der Autor Detlef Berentzen, kann es allen passieren, dass wir sie eines Tages beim Warten an der Bushaltestelle plötzlich in Zweifel verfallen, wozu wir eigentlich auf der Welt sind.
Philosophische Fragestellungen machen also von der Alltäglichkeit einer Situation keinen Halt. Aber wie sieht es denn aus mit dem Nachdenken über mögliche Antworten? Ist diese Art von Denken – wie der Titel der Veranstaltung fragt – ein Luxus? Moderatorin Olivia Bosshart lenkte die angeregte Diskussion gekonnt wieder auf die Hauptfrage des Abends zurück. Wenn philosophisches Denken, wie dies Detlef Berentzen ausführte, tatsächlich, vertiefter aber auch freier ist, als unsere sonstigen Gedanken, dann brauchen wir dafür tatsächlich gewisse Luxusgüter; nämlich Zeit und Ruhe. Offenbar ist für Philosophie ein Ausbrechen aus der Hektik des Alltags gefragt. Aber, so zeigten sich alle Teilnehmenden überzeugt, diese Emanzipation von den alltäglichen (Denk-) Gewohnheiten ist nicht nur im Rahmen der akademischen Philosophie möglich. Vielmehr können und sollten wir alle uns von Zeit zu Zeit Denkräume schaffen, um uns über unsere eigene Haltung zu philosophischen Problemen klar zu werden.
Was wir gewinnen, wenn wir diese Befreiung wagen, wurde auch anlässlich einer Frage aus dem Publikum ersichtlich: Was ist eigentlich die Wirkung der Philosophie? Barbara Schmitz argumentierte, dass uns ohne die Auseinandersetzung mit einflussreichen Denkern wie Kant unsere heutige Weltsicht schlicht unverständlich bliebe. Und, wie ebenfalls aus dem Publikum bemerkt wurde, es waren gerade auch die grossen Naturwissenschaftler Newton und Einstein, welche den Nutzen philosophischer Reflexion erkannt haben.
Insgesamt wurde an dieser Veranstaltung deutlich, dass die vermeintlich starre Grenze zwischen Philosophie und Alltag offenbar weitaus durchlässiger ist, als üblicherweise angenommen. Wurde damit die Ansicht widerlegt, dass Philosophie Luxus sei? Arvi Särkelä wies zum Abschluss der Veranstaltung darauf hin, dass es im Grunde ohnehin irreführend sei, die Philosophie mit Luxus gleichzusetzen: Luxus bedeute, etwas bereits Vorgefundenes zu konsumieren. Philosophie hingegen, das vertiefte Nachdenken und Hinterfragen, sei wesentlich eine produktive Tätigkeit. Und zwar, so zeigte der Abend im Berner Generationenhaus eindrücklich, eine Tätigkeit, deren Produktivität auch und gerade dann besonders gross ist, wenn sie sich mit dem Alltag und seinen philosophischen Aspekten beschäftigt.