Ist interkulturelle Kompetenz ein "fuzzy concept"? Eine Entgegnung aus neu-phänomenologischer Sicht auf Jürgen Boltens Plädoyer für einen „offenen“ Kulturbegriff

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    Vorbemerkung

    Jürgen Boltens hier behandelter Artikel[1] hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck: Mit Hilfe der fuzzy logic soll die herkömmliche zweiwertige Logik aus ihrer vorherrschenden Position verdrängt werden, die Theorie der interkulturellen Kommunikation und Kompetenz durch einen „offenen“ Kulturbegriff von historischem Ballast befreit und die Wirtschaftskommunikation theoretisch wie praktisch auf eine der globalisierten Welt angemessene Grundlage gestellt werden. Doch diese spektakuläre Ankündigung wird nach der Durchsicht des Textes allenfalls für den letzten Punkt eingelöst. Weder die Berufung auf fuzzy logic noch der sog. offene Kulturbegriff vermögen zu überzeugen. Was wie ein Griff nach den Sternen beginnt, stellt sich als der Versuch dar, starke affektive gemeinschaftliche (landschaftliche, sprachliche, historische, religiöse etc.) Bindungen im Zeichen globaler Vermischungen ironistisch zu brechen. Mit Verve plädiert der Autor für einen aus unterschiedlichen Quellen schöpfenden Dekonstruktivismus, um dem Leser die Konsequenzen der „zweiten Moderne“ (U. Beck), insbesondere plurale Identitäten (W. Welsch) und Multikulturalität (K. P. Hansen) als Lebensform schmackhaft zu machen. Bei dem „offenen“ Kulturbegriff handelt es sich letztlich nicht um eine Theorie zur Beschreibung und Einordnung bislang vernachlässigter Fakten und Sachverhalte, sondern um ein weiteres dekonstruktivistisches Programm, durch das alles Feste ins Fließen gebracht wird. Die berechtigte Kritik am Reduktionismus der vergleichenden Kulturpsychologie wird so weit getrieben, dass der beständige Perspektivenwechsel die unwillkürliche Lebenserfahrung bis zur Beliebigkeit auflöst.

    Was ausgehend vom Begriff der fuzzy logic im Jahr 2011 noch als „Experiment“ (S. 59) bezeichnet worden war, zieht sich seitdem durch Boltens neuere Veröffentlichungen[2], - ein Grund mehr, um die impliziten philosophischen Grundannahmen unter die Lupe zu nehmen.

     

    1. Die Ausgangslage

    Der Anlass des hier behandelten Aufsatzes ist die Frage, wie man international tätige Manager effizienter auf ihre Aufgaben vorbereiten kann. Dieses Ziel glaubt Bolten aber nicht allein durch die kasuistische Verbesserung der Kursangebote erreichen zu können. Vielmehr sei eine grundsätzliche Neubegründung der interkulturellen Theorie notwendig. Nicht allein die Fachdiskussion über interkulturelle Kompetenz, sondern die westliche Theoriebildung in den Sozialwissenschaften insgesamt bediene sich zweiwertiger Denkmuster, wie es auch von asiatischen Kritikern moniert worden sei:

    "Auch in der westlichen Welt haben globalisierungsbedingte Vernetzungserfahrungen die Glaubwürdigkeit bipolarer Weltdeutungsmuster in Frage gestellt. Die Geschwindigkeit, mit der sich Veränderungsdynamiken heute vollziehen, weckt Skepsis in Bezug auf Weltentwürfe, die Symbolkomplexität durch vermeintlich eindeutige Grenzziehungen und Kategorienbildungen zu reduzieren und Handlungskontingenz auszublenden versuchen." (Bolten 2011, S. 56)

    Als Beispiele bipolarer Deutungsmuster nennt er die Entgegensetzung von Nationalkulturen sowie die Oppositionen „interkulturell“ versus „intrakulturell“, „monochron“ versus „polychron“, individualistisch“ versus „kollektivistisch“ oder „mikro-“ versus „makroanalytisch“ (56), wie sie in der Forschung etwa von Edward T. Hall, Geert Hofstede und Alexander Thomas verwendet werden. Um die interkulturelle Wirtschaftskommunikation, die allgemeine interkulturelle Forschung und die sozialwissenschaftliche Theoriebildung auf einen Streich auf ein neues Forschungsparadigma verpflichten zu können, greift Bolten auf die Fuzzylogik zurück, die in Bereichen technischer Anwendung bereits erfolgreich mit unscharfen und polyvalenten Konstrukten arbeitet. Dies sei auch für die interkulturelle Forschung notwendig, weil die traditionelle zweiwertige Logik nicht in der Lage sei, den zeitgenössischen Erfahrungen kultureller Heterogenität und multipler Identitäten gerecht zu werden. Für sein ambitioniertes Programm glaubt Bolten mit den ungelösten Antinomien in der Philosophie ein starkes Argument gefunden zu haben.

     

    1. Ist Boltens Kritik der zweiwertigen Logik schlüssig?

    Warum fuzzy logic? Bolten bereitet die Erörterung der Antinomien vor mit zahlreichen kursorischen Verweisen auf kulturgeschichtliche Unterschiede (Entgegensetzung „protestantischer Entweder-Oder-Milieus“ und indisch-chinesischer Weisheitslehren des „Sowohl-als-auch“) (Bolten 2011, S. 57 f.), mit dem Hinweis auf unterschiedliche „Kulturbegriffskulturen“, die Auflösung der Ost/West-Antagonismen und vieles mehr (S. 59). Diese Querverweise haben offenbar die Funktion, ein passendes „Klima“ für die These zu schaffen, dass die tradierte zweiwertige Logik auch im interkulturellen Bereich nicht in der Lage sei, die Unschärfe, bzw. die Doppeldeutigkeit bestimmter Empfindungen und Wahrnehmungen widerspruchsfrei zu erklären. Der Fehler liege darin begründet, Kultur als eine homogene, auf Nation, Ethnie oder Religion beruhende Einheit zu denken (S. 56). Auch hier führe das Denken in der Alternative wahr-falsch, bzw. entweder-oder zu unlösbaren Widersprüchen. Statt Kulturen als „Container“ (S. 59) zu bestimmen, böten fuzzy sets die Möglichkeit, jene Widersprüche aufzuheben, denn die von Mathematikern entwickelte Fuzzylogik lässt bei der Berechnung von Mengen einen gewissen Grad an Unbestimmtheit zu, insofern die Menge nicht über die Objekte, sondern über den Grad der Zugehörigkeit zu dieser Menge definiert wird. Das Konzept der fuzzyness möchte Bolten auf die graduelle Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Kulturen übertragen, weil ihm zufolge die traditionelle binäre Logik nicht erklären könne, nicht nur eine kulturelle Identität zu haben, sondern mehrere (z.B. zugleich Inder, Engländer und US-Amerikaner zu sein).

    Über Antinomien: In der Tat galten einige, von griechischen Philosophen ersonnene logische Antinomien bis in die Gegenwart als unlösbar. Zusätzlich sind neue Antinomien hinzugetreten, die in der Philosophie seit Beginn des 20. Jahrhunderts thematisiert worden sind. Eine prominente, von Hermann Schmitz verschiedentlich zitierte Antinomie stammt vom Begründer der Phänomenologie Edmund Husserl[3], der von einer Puppe im Wachsfigurenkabinett berichtet, die er einen Augenblick lang für eine lebende Person gehalten hatte, so dass er kurzzeitig eine Schwindel erregende Ambivalenz empfand. Ausgehend von diesem Erlebnis hat Hermann Schmitz aber inzwischen mit seiner Theorie der Typen der Mannigfaltigkeit den Diskussionsstand maßgeblich verändert. Dieser soll in knapper Form resümiert werden.

    Schmitz‘ Theorie der Mannigfaltigkeit erlaubt es anzuerkennen, „dass zwiespältige Bestimmtheiten wirklich vorkommen können.“ (Schmitz 2010b, S. 25) Er illustriert sie mit dem Rückblick eines alten Menschen auf die durchlebten Phasen als Kind, Jugendlicher, Erwachsener, alter Mensch und Greis. „Das sind viele deutlich unterschiedene Individuen, und doch bin ich sie alle. Sie konkurrieren um Identität mit mir.“ (Schmitz 2012, S. 17). Während der Zwiespalt der Anmutung im Beispiel von Husserls Puppe nur kurze Zeit währt, begleitet der Zwiespalt der Lebensalter den Menschen dauerhaft. „Der Widerspruch entsteht dadurch, dass man einen Zwiespalt durch die ungerechtfertigte, aber selbstverständlich erscheinende Annahme eindeutiger Entschiedenheit überfordert.“ (Schmitz 2010b, S. 26) Schmitz bescheinigt der bisherigen Logik, die Möglichkeit des Zwiespalts gar nicht zu bedenken. Dies müsse nachgeholt werden.

    "Dafür wird allerdings eine modifizierte Logik erforderlich, die für höhere Stufen der Unentschiedenheit dem Satz vom ausgeschlossenen Dritten widerspricht, aber trotzdem zweiwertig bleibt und nachweislich widerspruchsfrei ist. Damit lassen sich auch besonders hartnäckige Antinomien, wie die des Lügners, der Widersprüchlichkeit entkleiden, indem diese auf einen Zwiespalt zurückgeführt wird." (Schmitz 2010a, S. 74)

    Schmitz kommt zu dem Schluss: „Zwiespalt ist also nicht Widerspruch.“ (Schmitz 2010a, S. 73).

    Das Schillern zwischen Beharren und Wechsel (Schmitz 2010a, S. 73) gehört zum Typ „instabile Mannigfaltigkeit“ (Schmitz 2010a, S. 70), neuerdings von ihm „zwiespältige Mannigfaltigkeit“ (Schmitz 2012, S. 16) genannt. Diese ergibt sich aus der konstitutiven Labilität der persönlichen Situation. Der „zwiespältige Spielraum“ (Schmitz 2007, S. 153 ff.; ders. 2012, S. 17) der Person erlaubt Stufen der Unentschiedenheit, wie etwa sich selbst Mut zusprechen, bei heftiger Erregung gleichsam neben sich zu stehen und – so lässt sich ergänzen – beispielsweise in einer bestimmten Situation sich mehr oder weniger als Franzose und als Deutscher bzw. sogar zugleich als etwas Drittes oder Viertes zu empfinden.

    Die von Bolten bei interkulturellen Phänomenen mit Recht beobachtete Unentschiedenheit oder Unschärfe lässt sich demnach auch in der – an entscheidender Stelle korrigierten – zweiwertigen Logik widerspruchsfrei explizieren. Sein Plädoyer für die mehrwertige Fuzzylogik ist also nicht zwingend. Es stellt sich deshalb die Frage, was Bolten mit seinem „offenen“ Kulturbegriff und seinem Rückgriff auf die Fuzzylogik unabhängig von vermeintlichen logischen Antinomien meint.

     

    1. Welt der Konstrukte versus affektive Intentionalität

    Der „offene“ Kulturbegriff leitet sich ab von der Kritik an einem national, ethnisch oder religiös geprägten („geschlossenen“) Kulturbegriff, wonach die jeweilige Gemeinschaft nach innen Homogenität anstrebt und sich nach außen gegen andere Gemeinschaften abgrenzt; deren Mitglieder können also nur als Gäste am gemeinsamen Leben teilnehmen. Im Bereich der internationalen Wirtschaftsbeziehungen sind im 20. Jahrhundert Modelle entwickelt worden, die angesichts des verstärkten Welthandels Unternehmen und Managern Instrumente an die Hand geben wollen, um sich auf andere, befremdende Weisen der Weltorientierung einzustellen und doch erfolgreich Geschäfte tätigen zu können. Während bei Edward T. Hall ethnologische Erfahrungen, Intuition und methodische Forschung annähernd ein Gleichgewicht bildeten, ist beim Organisationspsychologen Geert Hofstede und besonders beim kulturvergleichenden Psychologen Alexander Thomas die methodische Forschung das Hauptanliegen. Mit der Einseitigkeit ihres kulturvergleichenden Ansatzes und der empiristisch-naturwissenschaftlichen Grundannahmen haben sich die beiden zuletzt Genannten den Vorwurf des Essentialismus und Reduktionismus eingehandelt.

    Allerdings haben manche Kritiker übersehen, dass die vorgelegten Untersuchungen unter der Prämisse stehen, prognostisches Wissen für Unternehmen und Manager zu liefern und keine kulturelle Hermeneutik. Dieser Mangel an Differenziertheit hat dazu geführt, dass heutzutage von kultureller Kohärenz zu sprechen schnell mit dem Etikett des Kulturalismus versehen und abgewertet wird. Vor dem Hintergrund der kritiklosen Hinnahme der Globalisierung unter dem Vorzeichen eines unendlichen Wirtschaftswachstums wird zwar vehement die Erwartung von Homogenität als ein politisches Herrschaftsinstrument verdächtigt, doch es wird dabei ausgeblendet: Die These, Heterogenität im 21. Jahrhundert als Normalität zu bezeichnen, enthält selbst eine politische Agenda, die zu kritisieren wäre.[4] Bei Bolten findet so eine doppelte thematische Verschiebung statt: von der Theorie der interkulturellen Wirtschaftskommunikation zu einer allgemeinen Theorie interkultureller Kompetenz und von dem hier entwickelten „offenen“ Kulturbegriff zum Programm einer gesellschaftlichen Neuorientierung.

    Ontologische Implikationen: Dass Bolten den naturwissenschaftlichen Reduktionismus kultureller Phänomene durch die Fuzzylogik überwinden möchte, hat den gravierenden Nachteil, dass die Fuzzylogik aus der Mengenlehre hervorgegangen ist. Ausgehend vom Typ der numerischen (von der Fuzzylogik für sich als Argument verbuchten) Antinomie fasst Bolten Kulturen in Analogie zu Mengen auf, d.h. bestehend aus zahlfähigen Elementen. Mit Rückgriff auf die sozialwissenschaftlich informierte Kulturtheorie von Klaus P. Hansen[5] geht Bolten von dem trivialen Sachverhalt aus, dass Individuen in der Gesellschaft gleichzeitig zu verschiedenen sozialen Organisationen gehören können („Multikollektivität“ nach Hansen 42011, S. 194 u.ö.). Dabei falle der Intensitätsgrad der Zugehörigkeit in der Regel unterschiedlich aus, so dass auch die sich ergebende Prägekraft bei Überschneidungen variiert. So wie die unterschiedlich starke Zugehörigkeit zu Kollektiven das Attribut einer Person sein kann, sei dies auch bei unterschiedlichen Kulturen der Fall. Unterschiedlich intensive Zugehörigkeiten zu kulturellen Bezugsgruppen sowie daraus resultierende Interaktionen führten zu spezifischen Überlappungen und damit zu individuellen Ausprägungen („Multikulturalität“ nach Hansen 42011, S. 194). Insbesondere in Zeiten globaler Migration könne deshalb immer weniger eine klare Grenze zwischen Eigenem und kulturell Fremdem gezogen werden, und dies sei auch nicht notwendig: Neue Begegnungssituationen würden neue Formen kultureller Identität erzeugen, es würden neue Impulse freigesetzt, die sich auf andere Kollektive auswirkten. Damit entstünde aus entsprechenden „Erfahrungen und Erwartungen von Relevanz, Normalität, Plausibilität und ggf. Routine“ eine neue kulturelle Kohäsion (Bolten 2011, S. 69).

    Konstellationen und Situationen: Das Modell der Mengenlehre verführt dazu, die Welt als riesige Konstellation misszuverstehen[6] und sich selbst als Faktorenbündel. Dadurch bleibt die im leiblich-affektiven Betroffensein gründende Subjektivität auf der Strecke: In reflexiver Einstellung werden emotionale Einstellungen, Kognitionen und Verhaltensweisen wie ehedem gefangene Schmetterlinge aufgespießt, jedoch lediglich als idiosynkratische Kombination von Faktoren aufgefasst. Der naturwissenschaftlich distanzierte Blick spürt dann die möglichen Vernetzungen auf, die die sozialen „Akteure“ zu beliebigen, kulturell pluralen „Identitäten“ kombinieren. Es ist gewiss zutreffend, dass z.B. ein politischer Standpunkt liberale, konservative, sozialistische, ökologische, nationale, kosmopolitische, europapolitische oder religiöse Facetten in unterschiedlicher und sich verändernder Gewichtung umfassen kann. Entscheidend ist aber dabei, dass diese Facetten nicht durchgängig bestimmte Explikate sind, sondern in chaotisch-mannigfaltigen Situationen gründen. Dieser terminus technicus, den Hermann Schmitz in die Ontologie eingeführt hat, ist durch drei Merkmale definiert:

    "Eine Situation […] ist charakterisiert durch Ganzheit (d.h. Zusammenhalt in sich und Abgehobenheit nach außen), ferner eine integrierende Bedeutsamkeit aus Sachverhalten, Programmen und Problemen und eine Binnendiffusion dieser Bedeutsamkeit in der Weise, daß die in ihr enthaltenen Bedeutungen (d.h. Sachverhalte, Programme und Probleme) nicht sämtlich – im präpersonalen Erleben überhaupt nicht – einzeln sind." (Schmitz 2005, S. 22)

    Gegen die überkommene, am Festkörpermodell orientierte abendländische Philosophie betont er, dass Situationen die präreflexive chaotische Mannigfaltigkeit der unwillkürlichen Wahrnehmung meinen:

    "Situationen entziehen sich der säuberlichen Verteilung auf Subjekt und Objekt […]; sie bergen ohne solche Verteilung in sich den chaotisch-mannigfaltigen Vorrat an Sachverhalten, woraus das Erkennen einzelne Tatsachen zu explizieren hat, und durchdringen das eigene Leben des Menschen ebenso wie die Umgebung, in der er sich findet." (Schmitz 32007, S. 75)

    In diesem Sinn sind Standpunkte in der Regel dem Inhaber nicht restlos durchsichtig, sie werden durch die gemeinsame Verwurzelung im affektiven Betroffensein zusammengehalten (Schmitz 32007, S. 199) und nehmen erst an den Herausforderungen des Augenblicks fertige Form an. Das tägliche Leben und insbesondere die Welt der interkulturellen Begegnungen, die noch weniger eindeutig bestimmt ist, gehören nach Schmitz zum Typ der chaotischen Mannigfaltigkeit und sind daher nicht zahlfähig. Zunächst gilt dies generell für „die vage gleitende Dauer des Dahinlebens und der Versunkenheit, die Phasen homogener oder allmählich sich abwandelnder Kontinua, das Gesichtsfeld, wenn man nichts ins Auge fasst.“ (Schmitz 32007, S. 112) Sodann sind zu nennen die Eindrücke beim Kennenlernen neuer Gegebenheiten, z.B. von unbekannten Städten in anderen Ländern, die Atmosphäre beim Umgang mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen oder die Erfahrung eines unterschiedlichen Lebensgefühls. In allen diesen Fällen handelt es sich um den nicht-reflexiven Bereich des leiblichen Spürens, des affektiven Betroffenseins von Situationen und des Ergriffenseins von Atmosphären. Diese „affektive Intentionalität“[7] ist es, wodurch sich die Menschen einer bestimmten Welt oder Gruppe zugehörig fühlen, bzw. ihr gegenüber fremd bleiben. „[…] dass uns Dinge überhaupt wichtig sind, dass sie uns angehen“ (Großheim et al. 2014, S. 5), geht unwillkürlich dem deklarativen Wissen und Handeln voraus.

    Affektives Betroffensein: Was den von Bolten zitierten Attributen also fehlt, um eine neue „Identität“ zu begründen, ist das affektive Betroffensein, das keine objektive, sondern eine subjektive Tatsache ist. Subjektiv ist, was nur der jeweils Betroffene von sich selbst aussagen kann[8]. Bei Bolten, der die „künstliche Verarmung der Abstraktionsbasis“ (Schmitz 22007, S. 94)[9] der abendländischen Wissenschaftstradition übernimmt, wird demgegenüber die Lebenserfahrung auf die des personal emanzipierten Subjekts und seine nach Opportunitätsgesichtspunkten hergestellte, gelockerte bzw. aufgelöste objektive Verknüpfungen mit Kollektiven reduziert. Der von Bolten wiederholt verwendete Leitbegriff des Netzes verweist auf das von ihm zugrunde gelegte Verständnis von Kultur als Menge von zahlfähigen, zu Konstellationen verbundenen Elementen. Zwar bezieht er sich auch auf „lebensweltliche Strukturen (Familien, Freundeskreise, Ausbildung, Vereine, Unternehmen etc.)“ (S. 55), doch versteht er darunter offenbar keine gewachsenen, mehr oder weniger affektiv besetzte gemeinsame Situationen mit großen Anteilen an chaotischer Mannigfaltigkeit, sondern soziale Konstrukte.

    Fuzzy logic: Es ist die schiere Menge und unterschiedliche Durchschlagkraft der Daten, des objektiv Gegebenen, welche fuzzyness, Unschärfe bewirkt. Auf kulturelles und interkulturelles Verstehen ist Fuzzy logic nicht anwendbar, weil es sich dabei nicht um das Explizieren von Sachverhalten aus chaotisch mannigfaltigen Situationen handelt. Fuzzy logic ist vielmehr ein methodischer Kunstgriff ist, um die auf digitalem Weg speicherbare, in ihrer Menge überwältigende, aber für praktische Zwecke unhandliche Masse an Informationen und Konstellationen durchlässig zu machen für nützliche Kombinationen, die nicht im Einzelnen planbar sind. [10]. Boltens Beispiel eines Küstenverlaufs, der sich beim Heranzoomen bzw. Wegzoomen mit der Kamera von der Makroperspektive über die Mesoperspektive zur Mikroperspektive und zurück jeweils anders darstellt, illustriert sehr deutlich die mehr oder weniger grobe oder feine Auflösung einer Konstellation in kleinste Einheiten bzw. größere Verbände (Bolten 2011, S. 66). Was aus der Distanz einen klaren und messbaren Verlauf hat, verschwimmt bei starker Annäherung und wird unscharf (engl. fuzzy). Diese Beobachtung, die sich bereits bei D. Desjeux findet[11], erklärt sich dadurch, dass der Mensch ständig neue Apparate erfindet, die aufgrund des Übermaßes an nun verfügbaren Informationen das natürliche Sehen überfordern[12]. In dieser Lage hilft der Trick maschinell-mathematischer Komplexitätsreduktion durch fuzzy logic. Doch dies hilft nicht weiter bei der Herausforderung, für interkulturelle Begegnungen eine entsprechende Kompetenz auszubilden, und dies ist auch nicht notwendig, denn: „Situationen reduzieren Komplexität.“ (Schmitz 2003, S. 277) Das vollständige Zitat lautet folgendermaßen:

    "Situationen reduzieren Komplexität. Niklas Luhmann hat das verkannt. Reduktion erlebter Komplexität auf ein für menschliches Verhalten beantwortbares Maß ist nach ihm die Hauptaufgabe von Institutionen, d.h. von Verhalten von Menschen zu einander vorzeichnenden Verhaltensmustern, die er aber nur als Konstellationen auffasst, die durch mehr oder weniger listige Veranstaltungen die Ausscheidung des Überschusses besorgen. In Wirklichkeit läuft die bei der Lebenserfahrung zu bewältigende Komplexität sowohl im Einzelleben als auch in Gemeinschaften ganz von selbst zu Situationen zusammen, in Komplexe, die für Übersicht und Integration sorgen, indem sie vielschichtige Massen von Bedeutungen in eine binnendiffuse, aber durch Ganzheit handlich umgriffene Bedeutsamkeit einschlucken."

    Angesichts der verwirrenden „Überfütterung“ mit Daten lädt Bolten den Leser ein, den ironisch-distanzierten „Blick von nirgendwo“[13] einzunehmen, der dem extraterrestrischen Blick des Globalismus ähnelt (Sloterdijk 2005, S. 217 ff.).

     

    1. Wider die Reduktion des Zusammenlebens auf Konstellationen

    Kohärenz vs. Kohäsion: Der Feldzug gegen dichotomische Denkgewohnheiten ist der rote Faden, der sich durch Boltens Text zieht. Doch das Unternehmen kann auch deshalb nicht recht überzeugen, weil sich der Autor an einer zentralen Stelle selbst des Ausschlussverfahrens durch Entgegensetzung bedient. Es handelt sich um das Begriffspaar Kohärenz – Kohäsion. In durchlässigen multikulturellen oder kulturell durchmischten Gesellschaften werde der Unterschied zwischen Eigenem und Fremdem variabel, so dass sich das Zusammenleben auf der Basis einer stets veränderbaren Kombinatorik heterogener Faktoren einpendele. Kulturelle Stabilität, so zitiert Bolten zustimmend Stefanie Rathje, entstehe heutzutage nicht durch gemeinsame Werte und Normen,

    "[…] sondern vielmehr durch die Erzeugung von Normalität. […] Der evidente Zusammenhang von Kulturen ergibt sich dann nicht aus ihrer Kohärenz, sondern gerade aus der Bekanntheit und Normalität von Differenzen.“ [Interkulturelle Kompetenz zeige sich danach darin, dass der jeweiligen] „Multikollektivität modular-additiv ein weiteres, gemeinsames Kollektiv“ [hinzugefügt werde.] „Kultur lässt sich in diesem Sinne als Vorrat divergenter Angebote verstehen, der ähnlich wie Substanzen eines Chemielabors, die im Reagenzglas zusammengemischt ihr dynamisches Potential entwickeln, im Kontakt mit der Innenwelt der Individuen seine individuelle Ausprägung erfährt.“[14]

    Für den unbeteiligten Blick eines Forschers im Labor stellt sich das Zusammenleben in Gemeinschaften als Zusammenballung von Konstellationen dar. Von einem hohen Niveau personaler Emanzipation aus betrachtet „ereignen“ sich Reaktionen, Verbindungen oder Abstoßungen, und ergeben gleichsam neue Moleküle, die sodann registriert und damit „normalisiert“ werden. War bei Bolten mit sozialwissenschaftlicher Wortwahl wiederholt von den Menschen als „Akteuren“ die Rede, so kommen sie in dem naturwissenschaftlich informierten Zitat nun als Katalysatoren für „Substanzen“ in den Blick. In dieser parodistisch anmutenden Passage treffen sich der kulturelle Konstruktivismus („Erzeugung“) und der Konstellationismus („Bekanntheit und Normalität von Differenzen“) mit einem naturalistischen Reduktionismus („modular-additiv“) und Psychologismus / Introjektionismus („Innenwelt der Individuen“)[15].

    In Anlehnung an W. Welsch, U. Beck u.a. ist für Bolten die – vorhandene oder angestrebte – innere Kohärenz einer Gemeinschaft gleichbedeutend mit dem Homogenisierungszwang eines obsoleten, da essentialistischen, „geschlossenen“ Kulturbegriffs und deshalb abzulehnen. Die Erfahrung des Zusammengehörens und des Zusammenpassens, bzw. des Nicht-Zusammen-gehörens und Nicht-Zusammenpassens sowie die in affektivem Betroffensein gespürte Verantwortung für die Fortdauer des eigenen, als bedeutsam empfundenen Lebensstils fällt gleichsam in eine Gletscherspalte. Es wird kein Verlust gespürt. Nur noch Hybridisierung, Patchwork-Identitäten und métissage werden wahrgenommen, so dass auch Migranten der „Multikollektivität modular-additiv ein weiteres, gemeinsames Kollektiv“ (Rathje) hinzufügen. Diese Auskunft verdient zumindest das Prädikat „unterkomplex“[16]. In der Faszination für Heterogenes und der Gleichgültigkeit gegenüber dem Eigenen drückt sich eine Asymmetrie im Zusammenleben aus, die von Henning Nörenberg einer philosophischen Kritik unterzogen worden ist[17].

    Vom Sein zum Sollen: Das als Analyse der Gegenwart ausgegebene Szenario wird zum Sprungbrett für eine kollektive Psychagogie. In Zeiten globaler Migration müssten, so kann verstanden werden, die Menschen aus besserer Einsicht in die unentrinnbaren globalen Zusammenhänge lernen, die unwillkürliche Repulsion, die Erfahrung der Entfremdung zu überwinden. Ironischerweise kaum anders als die kritisierten Verfechter der den Einzelnen „programmierenden“ Nationalkulturen setzt Bolten nun eine globale „Programmierung“ ins Werk: Unzählige neue Begegnungssituationen würden für die Menschen „neue Impulse“ freisetzen, die „ähnlich wie bei einem neuronalen Netz und mit einem nicht zu unterschätzendenden Grad an Emergenz neue Reziprozitätsdynamiken“ auslösen und sich auf andere Kollektive auswirken (Bolten 2011, S. 69). In diesem objektiven Prozess tauchen die Menschen nicht mehr auf als spürende, fühlende, der affektiven Betroffenheit und der Ergriffenheit durch Atmosphären ausgesetzte und diese bearbeitende Subjekte. Hier wäre der Ort gewesen, stattdessen das resonante Verstehen einzubeziehen, - ein Motiv, das inzwischen die verstehende Soziologie erreicht hat[18]. Aber Bolten zieht es vor, vollends zum neurophysikalischen und dann zum spekulativen Materialisten[19] zu werden, denn bei der erwähnten Emergenz handelt es sich „um das Auftauchen von Strukturen durch das Zusammentreten von Elementen“[20], wodurch – in der Perspektive einer materialistischen Philosophie des Geistes – die Materie spontan Geist, insbesondere Bedeutungen produziert[21].

    Insgesamt ist bei Bolten eine Verschiebung vom Sein zum Sollen festzustellen: Der Hinweis auf die fortschreitende globale Vernetzung auf digitaler Basis drückt nicht allein aus, dass alles und jedes miteinander verknüpft werden kann; unter der Hand wird im Zeichen von Naturwissenschaft, Technik und globaler Wirtschaft daraus das Programm, dass alles und jedes auch miteinander verknüpft werden soll[22]. Insofern ist die Kritik national-kulturell geprägter affektiver Bindungen und ihre Überwindung durchaus normativ gemeint[23].

     

    1. Interkulturalität und Sprache

    Rede und Zugehörigkeit: Aus der Sicht der Neuen Phänomenologie ist auffällig, dass Sprachen, der Inbegriff kultureller Zusammengehörigkeit (nach innen) und kultureller Differenz (nach außen) bei Bolten – und nicht allein bei ihm – keine Rolle spielen. Die muttersprachliche Rede ist aber für eine Sprachgemeinschaft nicht allein ein Instrument der Mitteilung, sondern deren nicht hintergehbarer Zugang zur je eigenen Welt. Louis-Jean Calvet spricht hier von der „fonction identitaire“[24] einer Sprache. Sozialisation und Enkulturation entstehen in unterschiedlichen Graden gleichursprünglich mit dem Erwerb der Rede. Solidarische und antagonistische Einleibung als Modi leiblicher Kommunikation sind – in der Begrifflichkeit der Neuen Phänomenologie – Gestalten der leiblichen Dynamik, auf der die Rede aufsetzen kann. Die voll ausgebauten nationalen Kultursprachen werden so zu Medien der geistigen Vielfalt und des kulturellen Reichtums. Deshalb, so Sloterdijk, stellen für wirtschaftliche und fuzzy-Globalisierer „die natürlichen Sprachen weltweit die größten Modernisierungshindernisse dar, sie belegen die Rückwärtsgewandtheit und Selbstzufriedenheit der Sprecher“. Für die Globalisierer geben sie sich dadurch als Mitglieder im „Verliererkollektiv“ (Sloterdijk 42016, S. 410) zu erkennen: „Zugehörigkeit, belonging, appartenance – Ausdrücke dieser Art haben eine gute Chance, sich als Verliererstichworte des 21. Jahrhunderts zu erweisen. Unnötig zu sagen, daß sie, nicht zuletzt deswegen, zu den interessantesten Begriffen der Zukunft gehören.“ (Ebda., S. 327)

    Interkulturelle vs. transkulturelle Kompetenz: Wenn also Zugehörigkeit zu einer aus vielfältigen historischen Quellen erwachsenden Gemeinschaft und die Erstsprache untrennbar sind, ist für den Begriff der interkulturellen Kompetenz eine längst überfällige Präzisierung vorzunehmen. Zu glauben, interkulturelle Kompetenz sei erreichbar, wenn man sich auf das globale Englisch stützt, ist eine verbreitete Selbsttäuschung. Gewiss lässt sich nicht leugnen, dass im internationalen Wirtschaftsleben auf globish kommuniziert wird. Ebenso gewiss ist es aber, dass nicht das Verständnis des kulturell verschiedenen Gesprächspartners und Volkes das Ziel ist. Es geht im Wirtschaftsleben um die Umsetzung geschäftlicher Interessen, wobei kulturelle Unterschiede gemanagt werden müssen. Das heißt, dass die jeweilige Kultur im Modus personaler Emanzipation überschritten und ihre Einflüsse beherrscht, sei es neutralisiert oder genutzt werden müssen. International tätige Manager brauchen deshalb keine interkulturelle Kompetenz (wie mit Bolten zahlreiche Autoren meinen), sondern eine transkulturelle Handlungskompetenz (transkulturell wird hier aber anders als von W. Welsch[25] verwendet)[26]. Es handelt sich also bei allen zweckgerichteten Kontakten wie im Wirtschaftsleben nicht um einen auf gegenseitiges Verstehen ausgerichteten Dialog zwischen Vertretern unterschiedlicher kultureller Prägungen. Kulturelle Phänomene rücken in das Zentrum des Interesses, nur sofern und soweit der Zweck es erfordert. Die fälschlicherweise so genannten „Interkulturen“ (Bolten 52012, S. 39f.) im Geschäftsleben sind klar begrenzte, durch gemeinsame berufliche Gepflogenheiten und konkrete Routinen gebildete Kanäle der Kommunikation zwischen Personen, die zunächst und zumeist am Geschäftsergebnis, also Konstellationen, und nicht an der jeweiligen Kultur um ihrer selbst willen interessiert sind.

    Interkulturelle Situationskompetenz: Falls bei längerfristigen Kontakten über die fachliche und betriebliche Kultur hinaus auch die jeweilige Landeskultur samt Landessprache in den Blick kommt, bedarf es einer Einstellungsänderung, die den Bereich präreflexiver Erfahrungen betrifft: Statt einer Handlungskompetenz auf einem möglichst stabilen Niveau personaler Emanzipation (z.B. „einen kühlen Kopf“ auch bei Stress bewahren) ist dann eine interkulturelle Situationskompetenz verlangt, die die analytische Intelligenz durch hermeneutische Intelligenz, also das Eingehen auf Situationen, ergänzt sowie die leibliche Resonanz einbezieht, also „pathisch“ ist[27]. Gemeint ist die Bereitschaft, sich der jeweiligen Kultur in ihrer chaotischen Mannigfaltigkeit leiblich auszusetzen. Leibliche Intelligenz bezeichnet die Fähigkeit, bei unbekannten Anmutungen leibliche Resonanz, d.h. die Verunsicherung der eigenen Fassung (partielle personale Regression), zuzulassen, ohne doch die Fassung zu verlieren. Statt in erster Linie möglichst perfekte sprachliche Kompetenzen, z.B. nach dem „Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen“, und kulturwissenschaftliche Kenntnisse zu erwerben, ist der erste Schritt hin zu einer interkulturellen Kompetenz, das Gespür für das Nichtexplizite, für Stimmungen und Atmosphären zu kultivieren[28]. Hier findet sich der archimedische Punkt, mit dessen Hilfe m.E. die Schwäche des europäischen Zusammengehörigkeitsgefühls behoben werden könnte.

    Adoptivsprache: Wenn der Erstspracherwerb eine so nachhaltige Orientierung in der eigenen Welt bewirkt, ist es viel versprechend, interkulturelle Anlässe zu ermöglichen, die den Erfahrungen mit dem Erwerb der Erstsprache möglichst nahe kommen. Hier ist die Empfehlung von Jürgen Trabant in ihrer Tragweite kaum zu überschätzen, dass Europäer zu werden nicht über den Erwerb möglichst vieler Sprachen erreicht wird, sondern durch die Wahl einer „Adoptivsprache“[29]. Wie bei einem adoptierten Kind, dessen Entwicklung man mit Anteilnahme und Geduld verfolgt und mit dem man neu sehen lernt, verlange auch eine Adoptivsprache affektive Zuwendung, verschaffe einen frischen Blick auf die Welt und öffne die Augen für neue Möglichkeiten. Die Sprachen blieben so die wahren „lieux de la mémoire de l‘Europe“ (Trabant 269).

    Daran lässt sich anschließen, was Hermann Schmitz über gemeinsame Situationen gesagt hat (Schmitz 2003, S. 133-174). Gemeinsame Situationen umfassen danach alles, was das menschliche Zusammenleben betrifft. Mit jedem Zusammentreffen von Menschen entstehen gemeinsame Situationen, die von den Personen in unterschiedlicher Weise bearbeitet werden. Schmitz schlägt drei Idealtypen der gemeinsamen Situationen vor: Zunächst ist die von Interessen geleiteten Assoziation (Verein) ohne affektive Implikation zu nennen; mit der includierenden gemeinsamen Situation wird der mittlere Typ einer moderaten affektiven Bindung umschrieben, und der dritte Typ ist die implantierende gemeinsame Situation mit hoher affektiver Bindung. Diese drei Typen der Zugehörigkeit können entsprechend den lebensgeschichtlichen Umständen ineinander übergehen, so dass z.B. eine hohe affektive Bindung sich verringern oder ganz verschwinden kann, andererseits aber auch eine Beziehung mit geringer affektiver „Aufladung“ zu einer implantierenden gemeinsamen Situation werden kann usw. Dies lässt sich etwa an der Entwicklung der Beziehung zwischen Familienmitgliedern beobachten, aber auch bei den Schwankungen des politischen Engagements oder an der sich verändernden Beziehung der Mitarbeiter gegenüber dem beschäftigenden Unternehmen. Die von Trabant evozierte Adoptivsprache vermag ihrerseits Studierenden bei einem entsprechend vorbereiteten und betreuten längeren Auslandsaufenthalt den Zugang zu includierenden oder implantierenden gemeinsamen Situationen zu erschließen.

    Boltens Versuch, schematisch Kohäsion gegen Kohärenz, eine affektiv neutrale bzw. lockere Bindung gegen eine tiefe Bindung auszuspielen, wird der Veränderbarkeit der affektiven Intensität nicht gerecht, ja damit würden die Menschen um die Erfahrung mit Situationen betrogen, durch die das Erleben immer wieder mit Subjektivität aufgeladen wird. Ohne den Rückgang auf das affektive Betroffensein, d.h. durch personale Regression, kann sich die persönliche Situation (die Persönlichkeit) nicht entwickeln. Das einseitige Streben nach personaler Emanzipation würde eine blutleere Fassade erzeugen, eine entfremdete Außenseite ohne subjektive Beteiligung:

    "Der Mensch findet sich also in der Welt nur zurecht, indem er ständig zugleich mit zwei Registern spielt, nämlich durch Umgang mit Konstellationen einzelner Faktoren – z.B. einzelner Mitmenschen – und durch Umgang mit der binnendiffusen Bedeutsamkeit von Situationen ohne Einzelheit, aber mit Identität und Verschiedenheit." (Schmitz 2003, S. 155)

    An dieser Schnittstelle ist die menschliche Rede angesiedelt: Durch ihre leibliche Verfasstheit stecken die Sprecher gleichsam in den chaotisch-mannigfaltigen Situationen, schöpfen daraus durch die Rede relevante Konstellationen und gleiten bei großen Herausforderungen (Unverständnis der Lage, z.B. bei der Begegnung mit anderen Kulturen, nicht lösbare Kontroversen, Misserfolge, heftige Gefühle) zurück in den Zustand affektiver Betroffenheit, um durch die Rückgewinnung der Fassung einen neuen Aufschwung zu personaler Emanzipation und damit den neuerlichen Einsatz der Rede einleiten zu können. Das ambivalente Pendeln der Person zwischen primitiver und entfalteter Gegenwart impliziert, dass gemeinsame Situationen, gerade wenn sie stark affektiv besetzt sind, sich nicht durch ein prosaisches Aufsprengen der sie bildenden Elemente erschließen, sondern durch „schonende Explikation“ (Schmitz 21995, S. 72f.). Dies habe ich an anderer Stelle am Beispiel des Chansons Douce France von Charles Trénet gezeigt[30], das ich nun resümiere.

    Die Gefühlsatmosphäre, die Charles Trénet in dem Lied Douce France besungen hat, ist Teil einer implantierenden gemeinsamen Situation, deren subjektiv bedeutsame Räumlichkeit (village, clocher, maisons sages) und solidarische Einleibung[31] (Où les enfants de mon âge / Ont partagé mon bonheur) nur insoweit expliziert werden, dass die Zuhörer die gemeinsame Situation aus dem eigenen Erleben beliebig ergänzen können und übereinstimmend als gemeinsame Erfahrung spüren: So ist unser Frankreich! Darin spiegelt sich ein Zug wider, den Schmitz bei der Definition des Situationsbegriffs unterstrichen hat, nämlich die Binnendiffusion der integrierten Bedeutsamkeit von Sachverhalten, Programmen und Problemen (Schmitz 2005, S. 22): Diese können nicht sämtlich expliziert werden, und sie brauchen nicht sämtlich expliziert zu werden, weil der ungekünstelte Umgang mit Situationen die ganzheitliche Erfassung in präreflexiver, vorthematischer leiblicher Kommunikation ist. Die Integrationsfähigkeit der Heimatliebe zeigt sich etwa daran, dass es neben der Dorfidylle auch die ebenfalls affektiv geprägte städtische Räumlichkeit gibt, die z.B. mit boulevards, Métro, Seine, palais (im Fall von Paris) charakterisiert werden kann, so dass dasselbe Publikum mit demselben Recht sagen könnte: So ist unser Frankreich! Die Frage, was Frankreich denn nun wirklich sei, ist sinnlos, weil hier Frankreich aus zahlreichen Situationen abstrahiert zum Gattungsbegriff wird, der den beiden (und beliebig vielen) Fällen übergestülpt wird, um die unübersichtliche Fülle der unterschiedlichen gemeinsamen Erfahrungen verfügbar zu machen[32]. Ganz ohne fuzzy logic leisten affektiv geladene gemeinsame Situationen die zitierte Reduktion der Komplexität.

     

    1. Fazit

    Die im Titel des vorliegenden Aufsatzes aufgeworfene Frage: Ist interkulturelle Kompetenz ein fuzzy concept? ist danach zu verneinen: Interkulturelle Kompetenz ist nicht die Fähigkeit, kulturell markierte Konstellationen zu prognostischen Zwecken geschickt zu kombinieren, sondern sie speist sich aus dem Umgang mit interkulturellen Situationen, vermittelt über das Eintauchen in die von der Adoptivsprache bereit gehaltenen kollektiven Gefühlsatmosphären und über das schonende Explizieren einzelner Sachverhalte und Konstellationen[33]. Den Einwand, dass damit der Zugang zu interkultureller Kompetenz nur wenigen Menschen offen stehe, muss man gelten lassen, solange die europäische und die nationalen Bildungspolitiken an den Globalisierungsvorgaben festhalten. Allerdings steht einer Umwandlung des transkulturellen Erasmus-Programms zu einem europäischen Förderprogramm für interkulturelle Kompetenz grundsätzlich nichts im Wege[34].

     

    [1] Bolten, Jürgen: Unschärfe und Mehrwertigkeit: ‚Interkulturelle Kompetenz‘ vor dem Hintergrund eines offenen Kulturbegriffs, in Dreyer, Wilfried / Hößler, Ulrich (Hg.) (2011): Perspektiven interkultureller Kompetenz, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 55-70. http://www2.uni-jena.de/philosophie/IWK-neu/typo3/fileadmin/team/juergen.bolten/1003Ik-Kompetenz_fuzzy.pdf Bolten ist Professor für interkulturelle Wirtschaftskommunikation an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. - Der für die vorliegende Entgegnung gewählte Titel bezieht sich auf Boltens Aussage (S. 65), interkulturelle Kompetenz sei ein „fuzzy concept“.

    [2] Z.B. Bolten, Jürgen: Interkulturelle Trainings neu denken. In: Intercultural Journal, Bd. 15, Nr. 26 (2016), S. 75-92. http://www.interculture-journal.com/index.php/icj/article/view/293/359 (geprüft: 30.11.2017)

    [3] Schon seit den 1960er Jahren beschäftigt sich Schmitz mit der Klassifizierung von Typen der Mannigfaltigkeit. Ich beziehe mich auf den aktuellen Stand gemäß Schmitz, Hermann (2010a): Bewusstsein. Freiburg/München: Karl Alber, S. 69-76, ferner ders. (2010b): Jenseits des Naturalismus, Freiburg/München: Karl Alber, S. 26, sowie ders. (2012): Das Reich der Normen. Freiburg/München: Karl Alber, S. 16 f. – Weitere von Schmitz angeführte Beispiele sind das aus einer alltäglichen Verkehrssituation stammende Erlebnis des maschinellen „Winkemannes“, Schrödingers Katze sowie die Wasserfallillusion und das Kapieren von Witzen.

    [4] Cloet, Pierre-Robert / Pierre, Philippe (2018): L’Homme mondialisé. Identités en archipel de managers mobiles. Paris : L’Harmattan, S. 328: „Les technologies ont pour effet d’élargir les marges de manœuvre de ces ubiquistes, élites mobiles privilégiées, et de restreindre celles des autres.“

    [5] Hansen, Klaus P. (2011): Kultur und Kulturwissenschaft. Eine Einführung. 4., vollständig überarbeitete Auflage, Tübingen/Basel: A. Francke-UTB.

    [6] Schmitz, Hermann (2005): Situationen und Konstellationen. Wider die Ideologie totaler Vernetzung. Freiburg/München: Karl Alber, S. 11: Diesem Missverständnis „liegt das Vorurteil zu Grunde, dass alles Mannigfaltige in lauter Einzelnes durchgegliedert ist oder wenigstens aufgelöst werden kann. Mannigfaltigkeit reduziert sich dann auf die numerische vieler Einzelner.“

    [7] Großheim, Michael / Kluck, Steffen / Nörenberg, Henning (2014): Kollektive Lebensgefühle. Zur Phänomenologie von Gemeinschaften. Rostocker Phänomenologische Manuskripte 20, S. 4.

    [8] Schmitz (32007, S. 7): „Subjektive Tatsachen können nicht in bloß registrierender Einstellung hingenommen werden, sondern gewinnen ihre Tatsächlichkeit, sogar schon ihre Sachverhaltlichkeit, erst aus dem Engagement im affektiven Betroffensein. Bloß durch sie kommt es zu Bewußthabern (= Subjekten); ohne affektives Betroffensein gäbe es keine Bewußthaber, daher auch kein Bewußthaben und niemanden, der Bewußtsein von etwas hätte […].“

    [9] Schmitz (32007), S. 110 f.: „Dafür [die Degradierung des Seins der Relationen] sind nicht nur theoretische Fehlgriffe verantwortlich, sondern in der verkehrten Ontologie prägt sich eine Tendenz des Lebenswillens aus: die Bejahung der Selbständigkeit des Einzelwesens auf der objektiven wie der subjektiven Seite. Auf dieser handelt es sich um das Interesse personaler Emanzipation, der Eigenmächtigkeit, der Abstandnahme von allem Einbettenden und Verstrickenden […]. Auf der objektiven Seite entspricht ihm die seit den Atomisten Leukipp und Demokrit dominante Tendenz der Vergegenständlichung des Begegnenden nach dem Muster fester Körper, an denen standardisierte Merkmale in optischem Zählen abgelesen werden können.“

    [10] Nach Kruse ist es die bei Fuzzy-Systemen verfolgte Strategie, einen Anteil Präzision sowie Vagheit und Unsicherheit (verstanden als Unvollkommenheit) bei dem Modellierungsprozeß zu tolerieren. Durch das gezielte Verwenden dieser nicht perfekten Information kann man dann den Vorteil einer damit verbundenen Komplexitätsreduktion gegenüber der genauen Modellierung ausnutzen. Kruse, Rudolf: Fuzzy-Systeme - Positive Aspekte der Unvollkommenheit. In: Zeitschrift Informatik - Spektrum, Band 19, Heft 1, Februar 1996, S. 4. https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs002870050011 (geprüft: 30.11.2017)

    [11] Dominique Desjeux : Les échelles d'observation de la culture". In : Interculturel et communication dans les organisations, GRECO, Université M. de Montaigne Bordeaux 3, n° 22, 2002. http://journals.openedition.org/communicationorganisation/2728 (geprüft: 30.11.2017)

    [12] Dass man nicht alles Erdenkliche auf einmal sehen kann, weiß man schon seit der Warnung aus dem frühen Maschinenzeitalter, die immer noch auf einigen französischen Bahnhöfen zu lesen ist: „Un train peut en cacher un autre.“

    [13] Der Ausdruck ist die Übersetzung des Buchtitels von Thomas Nagel (1986): The View from nowhere. New York etc., Oxford University Press. – Der von Bolten (2016, S. 80; s. Anm. 2) gestartete Versuch, sich vor Beliebigkeit zu schützen, indem „auf einer Metaebene innerhalb des Spektrums z. B. der unterschiedlichen weltanschaulichen Überzeugungen und abhängig von (wechselnden Kontextfaktoren) kontinuierlich Selbst-Positionierungen initiiert“ werden, geht an der einzigen Möglichkeit vorbei, sich der subjektiven Präsenz zu vergewissern, nämlich sich leiblich affizieren zu lassen.

    [14] Rathje, Stefanie: Interkulturelle Kompetenz -Zustand und Zukunft eines umstrittenen Konzepts. In: Zeitschrift für interkulturellen Fremdsprachenunterricht 2006, 11, 3, S. 15.

    http://www2.uni-jena.de/philosophie/iwk/publikationen/interkulturelle_kompetenz_rathje.pdf (geprüft: 30.11.2017)

    [15] Schmitz, Hermann (2009): Kurze Einführung in die Neue Phänomenologie. Freiburg/München: Karl Alber, S. 19-27.

    [16] Das Festhalten an einem nationalen oder regionalen Lebensstil wird in dieser Perspektive unversehens zum Ausdruck völkischer Homogenität. In ihrem Buch Warum Europa eine Republik werden muss! fordert z. B. Ulrike Guérot deshalb, die Flüchtlinge sollten in Deutschland ihr Neu-Aleppo, Neu-Diyarbakir, Neu-Kandahar, Neu-Enugu usw. aufbauen. „Kurz, wir verzichten auf Integration. Wir respektieren Andersartigkeit und lassen die Neuankömmlinge in ihrer Andersartigkeit für sich alleine.“ (251) „Wir schaffen ein buntes Europa, ein respektvolles Nebeneinander, einen Verbund von Andersartigkeit unter gleichem Recht, ein kreatives Netz aus Vielfalt.“ (252) Alles andere sei „Bevormundung“ (251). Guérot, Ulrike (2016): Warum Europa eine Republik werden muss! Eine politische Utopie. Bonn: Dietz. S. meine Rez. In: Zeitschrift für Politik 2016, No. 44, 4, S. 464 f. https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/0044-3360-2016-4-459/buchbesprechungen-jahrgang-63-2016-heft-4?page=1 (geprüft: 30.11.2017) sowie Müller-Pelzer, Werner (2016): Warum leben wir zusammen, und wie wollen wir zusammenleben? Überlegungen zur Lage in Europa anlässlich des Buches von Ulrike Guérot: Warum Europa eine Republik werden muss! Eine politische Utopie. Bonn: Dietz, 2016. 25-27, in: impEct 2016, Nr. 8: http://www.fh-dortmund.de/de/fb/9/publikationen/index.php (geprüft: 30.11.2017)

    [17] Nörenberg, Henning (2014): Der Absolutismus des Anderen. Politische Theologien der Moderne. Freiburg/München: Karl Alber, S. 13: „Mit dem Begriff ‚Absolutismus des Anderen‘ bezeichne ich einen sehr einflussreichen politisch-theologischen Diskurs, der eine asymmetrische soziale Beziehung zum Paradigma der Subjektkonstitution erhebt. Er entzündet sich am Problembewusstsein des modernen Menschen, dessen reduktionistisches Weltverständnis, dessen Selbstbild als imperialistisches Ego und den damit einhergehenden Gewissensbissen, sowie an der daraus resultierenden Problematisierung von persönlicher Verantwortung und sozialer Intergration.“

    [18] Rosa, Hartmut (2016): Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung. Frankfurt: Suhrkamp.

    [19] Für seinen ontologischen Projektionismus und Objektivismus s. Bolten, Jürgen (52012): Interkulturelle Kompetenz. Jena: Landeszentrale für Politische Bildung Thüringen, S. 59-77.

    [20] Schmitz, Hermann / Sohst, Wolfgang (2005): Hermann Schmitz Im Dialog. Neun neugierige und kritische Fragen an die Neue Phänomenologie. Berlin: Xenomos, S. 65.

    [21] Vgl. a.a.O., 63. Schmitz erläutert hier (65) den Grund für seine Ablehnung: „Die Emergenztheorie des Bewusstseins macht die Voraussetzung des Singularismus, dass Einzelheit sich von selbst versteht. […] Nach meiner Analyse sind einzelne Sachen aber nur möglich durch Explikation einzelner Bedeutungen (Sachverhalte, Programme, Probleme) aus diffuser Bedeutsamkeit, damit etwas als Fall von etwas (einer Gattung) vorkommen kann, und für solche Explikation bedarf es schon eines Bewussthabers, der also nicht der nachträglichen Strukturbildung aus einzelnen Sachen sein Dasein verdanken kann.“

    [22] Zur Kritik der „Ideologie der totalen Vernetzung“ s. Schmitz 2005.

    [23] Ein Blick nach Frankreich vermittelt demgegenüber eine durchaus nuanciertere Behandlung national-kultureller Prägungen, wenn man an so unterschiedliche Autoren wie Philippe d’Iribarne, Alex Frame, Jacques Pateau, Jean-Pierre Segal, Philippe Pierre, Pierre-Robert Cloet, Jean-François Chanlat oder Michel Sauquet denkt. Vgl. Cloet / Pierre (2018) ; Jean-Pierre Segal (2009): Efficaces, ensemble. Un défi français. Paris, Le Seuil; Chanlat, Jean-François / Pierre, Philippe (2018): Management interculturel. Evolution, tendances et critiques. Paris : EMS ; Cloet, Pierre-Robert / Guénette, Alain-Max / Mutazabi, Evalde / Pierre, Philippe (2017): Le défi interculturel. Enjeux et perspectives pour entreprendre. Paris: L’Harmattan.

    [24] Calvet, Louis-Jean (2002) : Le marché aux langues. Essai de politologie linguistique sur la mondialisation, Paris, Plon, S. 204.

    [25] Ich gehe von der Bedeutung von trans im Sinne von „jenseits” aus, wie sie in den Ausdrücken „transalpin” oder „transsibirisch” enthalten ist. Transkulturell meint also: Jenseits einer individuellen Kultur, auf etwas anderes gerichtet.

    [26] Müller-Pelzer, Werner: Interkulturelle Kompetenz – Welche praktischen Konsequenzen hat die anthropologische Wende?. In: Hiller, Gundula Gwen / Lüsebrink, Hans-Jürgen / Oster-Stierle, Patricia / Vatter, Christoph (Hg.) (2017): Interkulturelle Kompetenz in deutsch-französischen Studiengängen – Les compétences interculturelles dans les cursus franco-allemands. Wiesbaden: Springer VS, S. 87-102.

    [27] Böhme, Gernot (2003): Leibsein als Aufgabe. Leibphilosophie in pramatischer Hinsicht. Zug: Die graue Edition, S. 60.  Müller-Pelzer, Werner: Enredado en Situaciones interculturales. El Reto del desarrollo de la personalidad en el Diversity Management intercultural. In: Ders. (Hg.) (2012): Interkulturelle Situationen – Verstrickung und Entfaltung. Die Perspektive der Neuen Phänomenologie, Göttingen, Cuvillier, S. 45-60. - Das in leiblicher Kommunikation sich bildende resonante Verstehen gehört zur allgemeinen europäischen Denktradition (so z.B. Pascals esprit de finesse), wird jedoch von der konstruktivistischen Sozialwissenschaft verschmäht.

    [28] Bolten (2011, S. 64) formuliert den trivialen Sachverhalt zutreffend: „Interkulturelle Kompetenz erweist sich […] nicht als universal, sondern als kontextspezifisch“. Doch als Konstellationist drängt sich ihm der Eindruck auf: „Es handelt sich um ein ‚fuzzy concept‘“. (65)

    [29] Trabant, Jürgen: Sprachenvielfalt. In: Den Boer, Pim / Duchhardt, Heinz / Kreis, Georg / Schmale, Wolfgang (Hg.) (2012): Europäische Erinnerungsorte, 3 Bde., Bd. 1: Mythen und Grundbegriffe des europäischen Selbst-verständnisses, München, Oldenbourg, S. 257-271, S. 257 f.

    [30] http://www.charles-trenet.net/chansons/doucefrance.html ; https://www.youtube.com/watch?v=6EbBbezVtUQ

    [31] Für diesen terminus technicus der Leibtheorie vgl. Hermann Schmitz (2005), S. 132-136.

    [32] Ich adaptiere hier ein Beispiel von Hermann Schmitz (2010, S. 46).

    [33] Nach Schmitz ist es die antagonistische Einleibung durch Begegnung, d.h. ein Modus der leiblichen Kommunikation, wodurch letztlich die Kulturen, Völker und Sprachen übergreifende implantierende gemeinsame Situationen entstehen können. Schmitz, Hermann (2011): Der Leib. Berlin/Boston: de Gruyter, S. 29-54. Zum Thema „kollektive Atmosphären“ s. auch Tonino Griffero (2017): Quasi-Things. The Paradigm of Atmospheres. Translated from Italian by Sarah De Sanctis. New York: Excelsior Editions.

    [34] Müller-Pelzer, Werner: Europa regenerieren. Über Adoptivsprachen zur Bildung implantierender gemeinsamer Situationen. Rostocker Phänomenologische Manuskripte, hg. v. Michael Großheim (im Erscheinen). Dort wird das von mir so genannte Montaigne-Programm erläutert.