Schlussfolgerungen aus den heutigen Erkenntnissen über die Welt.

Der Sinn des Lebens

Der Mensch als vorübergehende Erscheinungsform im Gesamtablauf der Evolution des Universums. 

 

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    Das Volumen des Gehirns besteht nur zu 20% aus den Nervenzellen, aber zu 75% aus den Verbindungen zwischen ihnen, also aus den Strukturen der Kommunikation, die sich im Verlauf des Lebens entwickeln und (innerhalb gewisser Grenzen) durch unser Denken fortwährend verändern und aktiv verändert werden.

    Im Gehirn kreieren die einzelnen Zellen in ihrem Zusammenspiel, das in seiner aus ihrer vernetzten Kommunikation entstehenden Komplexität weit über das Wesen der einzelnen Komponenten hinausgeht, das Denken.

    Im Internet bilden unsere Gehirne (und zunehmend auch künstliche Intelligenzen) die Komponenten eines größeren Systems, dessen Hervorbringungen irgendwann weit über die Ursprungselemente hinausgehen werden und irgendwann von uns nicht nur nicht mehr erfasst, sondern auch nicht mehr wahrgenommen werden können (- so wie die abstrakte Welt, in der wir leben, von einem Schimpansen nicht mehr wahrgenommen werden kann - und das ist ein Entwicklungsabstand von nur 7-8 Millionen Jahren, also dem 500sten Teil der Zeit, die das Menschenwesen aus den ersten einzelnen Zellen des Anfangs entstehen ließ.).

    Wie kann man das Verhältnis der einzelnen Gehirnzellen zum Denken definieren, das aus ihrer Aktivität hervorgeht? Bei den individuellen, spezialisierten, Einzelaufgaben im Gesamtsystem wahrnehmenden Einzellern, aus denen unser Körper und unser Gehirn bestehen und die unser Denken erzeugen, kann man von „Wahrnehmen“ in unserem Sinne natürlich nicht sprechen. Sind die einzelnen Zellkörper, die z.B. in unserem Gehirn das Glücksgefühl produzieren, „glücklich“? Das ist eine falsche Begriffswahl. - Es geht um den Gesamtvorgang, die verschiedenen Wege der Kommunikation, d.h. in diesem Falle um chemische Produktion und Impulsübertragungen, die den verschiedensten Neuronen zur Verfügung stehen und darauf, was aus dieser Kommunikation, diesen Kommunikationen entsteht, was sie auslösen und welche Ereignisse sie in Bewegung setzen, die dann selbst wiederum in Rückkopplungen auf sie zurückwirken. In ihrer unfassbaren Komplexität sind sie für das menschliche Vorstellungsvermögen nicht mehr greifbar.

    Je nach den einkommenden Impulsen richtet sich das „Verhalten“ der Einzelzellen und ganzer Gruppenverbände mit ihren diversen Schnittstellen so aus, dass daraus in charakteristischer Weise ein neues Phänomen auf einer anderen Evolutions- und Komplexitätsebene resultiert. Die Emotion „Glück“ entsteht durch das verschränkte Zusammenspiel unzähliger einzelner Zellen, die sich körperlich je nach Art und Gruppenzugehörigkeit und auch individuell unterscheiden, in einem Organismus, in dem diese Emotion dann einen der bedeutendsten Motoren und Antriebe für dessen Aktivität abgibt; ein solch starker und überwältigender Motor für Lebenswillen und Tun, dass einige Denker das Streben nach Glück und dessen Erlangung sogar irrtümlich für den Sinn des Lebens gehalten haben.

    Dies soll zeigen, dass ein Geschehen immer auf verschiedenen Ebenen des evolutiven Prozesses gleichzeitig sich abspielt und immer aus seinen unterschiedlichen Perspektiven gleichzeitig bedacht und erkennbar gemacht werden muss.

    Daher kann es auch keine Trennung geben zwischen Geistes- und Naturwissenschaften, weil alle wissenschaftlichen Bereiche dieselbe Welt beschreiben, nur eben auf verschiedenen Ebenen der Evolution; die aber im Endeffekt gleichzeitig - als untereinander korrespondierend und interagierend – in das Gesamtbild, das wir uns von der Welt machen, einbezogen werden müssen.

    Und eigentlich gibt es nur Naturwissenschaften, denn das Denken ist ein Teil der Natur und ein wirkender Teil der Evolution in diesem Universum.

    Es gibt Abläufe, die nur innerhalb der einzelnen Ebenen der Evolution gelten und lokales Verhalten und lokale Realität generieren; Abläufe, die „richtiges“, vorteilhaftes Verhalten im Geschehen der Evolution auslösen, aber außerhalb dieser Ebene nicht unbedingt gelten müssen. Deshalb ist es auch unsinnig, verschiedene Ebenen der Evolution gleichzusetzen oder mit den gleichen Vokabeln zu beschreiben. (So war es z.B. unsinnig, die Mechanismen der biologischen Evolution, die Darwin beschrieb, mit den Erfordernissen der sozialen Evolution menschlicher Gesellschaften gleichzusetzen, die völlig anderen und teilweise konträren Regeln folgen müssen, um weiterführende Ziele zu erreichen.) Gleiche Vokabeln stehen in den verschiedenen Ebenen der Evolution in verschiedenen Zusammenhängen und haben entsprechen verschiedene Bedeutungen und können nicht eins zu eins in den verschiedenen Kontexten verwendet werden. Jede neu entstehende Ebene der Evolution bringt neue Qualitäten hervor, die nicht einfach aus den Bausteinen der vorhergehenden Ebenen abgeleitet werden können. Die biologische Ebene z.B. beruht zwar auf der physikalischen und der chemischen Ebene, ist aber nicht eins zu eins daraus erklärbar und ableitbar. Durch die steigende Komplexität der vorhergehenden Ebenen wird irgendwann ein Punkt überschritten, an dem etwas völlig Neues, aus den einzelnen Bausteinen nicht vorherzusehendes Phänomen hervortritt. So auch beim Schritt von der biologischen zur sozialen Ebene.

    Es hat hunderte von Jahrmillionen gedauert, bis aus den einzelligen Lebewesen ein zusammenhängender Organismus erwuchs und ein Organ wie das Gehirn mit seinen außerordentlichen Möglichkeiten und Konsequenzen entstand. Beim Menschen kommt nun als neue Qualität gegenüber dem Denken anderer Tiere das bewusste Denken hinzu – also die Möglichkeit, über das Denken nachzudenken und alles in Frage zu stellen, was bei den anderen Tieren als festgelegte, vorgegebene Verhaltensweise Halt und Orientierung, aber auch Einschränkung der Flexibilität mit sich bringt – das bewusste Denken als Erweiterung, nachgeschaltete Kontrollfunktion und Infragestellung der unbewussten Denk- und Funktionsabläufe und als übergeordnete, zeitlich nachgeordnete Identitätszusammenfassung („Ich“), die sich je nach den Verhältnissen auch ändern, verschieben und anders zusammensetzen, anders aus dem Reservoir des Unbewussten rekrutieren kann.

    (Daher stimmt der Satz des Descartes: „Ich denke, also bin ich.“ nicht wirklich. Denn zuerst war das Denken und daraus ist im Laufe der Evolution / und spezieller auch im Laufe jeder menschlichen Kindheit / das „Ich“ entstanden, die bewusste Korrektionsinstanz, die gravierenden Einfluss ausübt auf das unbewusste Denken, es aber niemals bis in den letzten Winkel vollständig kontrollieren und beherrschen soll [was auch viel zu energieaufwendig und nur von geringem Nutzen wäre].

    Der Satz des Descartes müsste also eigentlich etwa lauten: „Es denkt, und also ist ein Ich geworden, das weiß, dass es denkt, und also bin ich.“ [Um zu sein braucht es allerdings kein Bewusst-Sein; auch das unbewusste Denken ist. Aber es ist einfach, weiß nichts davon, kann das nicht reflektieren. Und kann es nicht in Frage stellen.]

    Aber ob das, was das „Ich“ denkt, real ist oder nicht, kann nicht das Denken selbst, aus sich heraus entscheiden, sondern nur, indem es durch die Wissenschaften und ihre Experimente Fragen direkt an die Welt stellt, um durch die Interpretation der Antworten auf die Gegebenheiten der Realität schließen zu können.

    Das Ich ist eine Konstruktion des Denkens und ist in der Lage, sich reflexiv selbst zu formen.

    Das Beständige und Grundlegende ist das Denken; das Ich ist die daraus gewordene Kontrollinstanz, die sich in gewissen Grenzen flexibel selbst gestalten kann und nichts Festes und Bleibendes ist..

    Vielleicht vollzieht sich der jetzige neuerliche Aufbau solcher Organisationsmodelle, wie es das Gehirn ist, in Form des Internet ja etwas schneller. Im Moment sieht es allerdings angesichts des Beharrens in religiösem und ideologischem Denken so aus, als könnte uns genauso gut eine weitere „mittelalterliche“ Unterbrechung der ganzen Entwicklung bevorstehen. Und wenn man außerdem sieht, in welch perfider Weise Länder und Konzerne das Internet zur Unterdrückung, Knebelung und Manipulation der Menschen benutzen, dann erkennt man, dass die ganze Sache nicht geradlinig und vorhersagbar, sondern noch über viele Generationen hinweg ablaufen wird.

    Es ist der normale Verlauf der Evolution, dass wir zwar aktiver Teil der Entwicklung sind und an ihr mitarbeiten, aber auch irgendwann von ihr überholt werden, die Menschheit irgendwann ihr Potential erschöpft hat und mit der Evolution der Welt nicht mehr Schritt halten, sie nicht mehr begleiten und auf die unweigerlich sich vollziehenden Veränderungen der Welt nicht mehr angemessen reagieren kann (oder will) – und verschwindet oder in anderen Existenzformen aufgeht, zumindest aber nicht mehr die wirkmächtigste Lebensform der Erde bleibt.

    Worauf es gegenwärtig ankommt, ist, die Überlebens- und Entwicklungsfähigkeit der Menschheit und des ganzen Systems der Erde zu erhalten und dafür zu sorgen, dass der Entwicklungsstrang der Evolution des Universums, an dem wir hier beteiligt sind, nicht durch die allgegenwärtig grassierenden Idiotien und Rücksichtslosigkeiten der Menschen endet und abbricht - und unsere Existenz damit mehr oder weniger sinnlos gewesen sein wird.

    Denn der Begriff „Evolution“ darf nicht nur auf die biologische Evolution begrenzt werden. Eine klare Grenze zwischen Leben und Noch-Nicht-Leben ist sowieso unmöglich zu ziehen und nur durch willkürliche Definitionen künstlich zu erreichen. Es hat vorher eine physikalische und chemische Evolution gegeben (und gibt es auch weiterhin), und im Folgenden dann eine soziale, technische usw., und alle diese Entwicklungen sind nur im gesamten Zusammenhang der Evolution des gesamten Universums richtig zu verstehen (es hat z.B. ja auch 2/3 der bisher vergangenen Entwicklungszeit des Universums gedauert, bis durch das Entstehen und Vergehen von Legionen von Sonnen erst die Elemente entstanden waren, aus denen das „Leben“ hervorgehen konnte und aus denen wir heute bestehen).

    Wie sieht es mit dem „Sinn des Menschen“, mit dem „Sinn des Lebens“ aus?

    Relativ zum Universum und innerhalb dessen Entwicklung hat unsere Existenz durchaus einen Sinn, denn als Teil davon sind wir, wenn auch in mikroskopisch oder homöopathisch auf die Erde begrenzter Weise, beteiligt an seiner gerade ablaufenden Entstehung, als aktiver und passiver Teil, und der Sinn besteht eben in unserem Tun, in unserem Wirken und unserer Wirkung auf die Welt und in der Welt - so wie auch jeder Baum, jedes andere Seiende, jedes Materieteilchen und jedes Energiequant des Universums darin seinen Sinn hat. Nur dass unsere „Lebens“form durch die Möglichkeit des bewussten Denkens so weit gediehen ist, dass wir gezielt Wirkungen ausüben können, die nicht mehr durch vorgegebene Verhaltensweisen wie bei den anderen Tieren begrenzt sein müssen.

    Um aber einen absoluten Sinn (oder Nicht-Sinn) feststellen zu können, müssten wir wissen, was es mit dem Universum selbst und seiner womöglich irgendwann erreichten endgültigen Gestalt auf sich hat. Es gibt zwar physikalische Konstanten, „Naturgesetze“, die den Geschehnissen von Beginn des Universums an gewisse Grenzen und Regeln setzen. Der Zufall herrscht also nicht uneingeschränkt. Die Zahl der Möglichkeiten ist zwar ungeheuerlich groß und von uns in keinster Weise zu fassen, aber eben nicht unendlich. Bestimmte Prozesse sind aufgrund dieser festliegenden Werte unausweichlich oder gar nicht möglich. Es muss also irgendeine, wenn auch noch so vage, Richtung geben, die wir aber nicht kennen. (Ist diese Richtung das, was wir Zeit nennen?) Ob diese Konstanten völlig bindungslos sind oder auf ein irgendwie geartetes Ziel, eine mögliche Endgestalt des Universums, hindeuten, können wir nicht entscheiden, da wir uns innerhalb des „Systems“ befinden und keine Möglichkeit haben, das Ganze von Außen zu betrachten, es in einer womöglichen Eingebundenheit in Zusammenhänge, Geschehnisse und Bedingtheiten sehen zu können.

    Es bleiben also unentscheidbare Fragen.

    Das Nicht-Wissen und Nicht-Wissen-Können über den Gesamtzusammenhang der Geschehnisse ist für die meisten Menschen aber anscheinend unerträglich, weshalb Religionen und Ideologien einfach Gewissheiten setzen, um ihren Anhängern die Sehnsucht nach Sicherheit und bequemem Denken zu erfüllen, Ängste zu bannen und Unglück zu wehren. Das kann aus verschiedenen Gründen positive Effekte haben. Es überwiegen allerdings die Gefahren religiösen oder ideologischen Denkens, weil alles auf einer Erfindung, einer (unbewussten) Lüge gegen sich selbst beruht. Und gerade die (vom bewussten Denken nicht erfassten) Lügen gegen sich selbst bergen immer die Gefahr des irrationalen Exzesses, wenn man gezwungen ist, die Lüge vor sich selbst und anderen zu rechtfertigen und zu verteidigen. Im Extremfall geht man über Leichen (und wenn es die eigenen sind), um die Lüge, die zur Stütze der eigenen Identität geworden ist, aufrecht zu erhalten. Sie kann auch jederzeit instrumentalisiert werden, wenn es um Verteilungskämpfe geht oder in anderen allgemeinen Krisensituationen. Aber vor allen Dingen besteht die Gefahr, dass sie Ziele ansteuert, die es gar nicht gibt, was sich verheerend auf die weitere Entwicklungs- und Überlebensfähigkeit der Menschheit in der Welt auswirken kann.

    (In der europäischen Geschichte haben religiöses und ideologisches Denken in einem jeweils etwa 150 Jahre dauernden Prozess zu zwei 30jährigen Kriegen geführt: einmal im 17. Jahrhundert in Folge der Reformation und ihrer Vorläufer, und einmal im 20. Jahrhundert in Folge der Aufklärung und ihrer Vernunftpriorisierung. (die wirtschaftlichen und bloß machtpolitischen Impulse, die im Hintergrund immer auch die Fäden ziehen und das Ganze instrumentalisieren und schüren, lassen wir hier mal außen vor). Die Zeit von etwa 1800 bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts kann man auch als das ideologische Zeitalter bezeichnen. (Darwins Theorie z.B. war aus wissenschaftlicher Denkweise hervorgegangen, wurde aber sofort von Ideologien vereinnahmt, instrumentalisiert und verzerrt.)

    Religiöses und ideologisches Denken sind zwei Seiten derselben Medaille und können furchtbare Resultate generieren.

    Zeitepochen scheinen übrigens überhaupt, zumindest in der europäischen Geschichte, eine Neigung zu 150-jähriger Dauer zu haben, und zwar jeweils im Wechsel von eher rationaler und eher irrationaler Grundhaltung. Man kann diesen Rhythmus mindestens bis zu Karl dem Großen zurückverfolgen.

    Die Anfänge ausgreifender naturwissenschaftlicher Überlegungen in der Neuzeit von Galilei bis Newton - angestoßen vor allem durch Kopernikus' Rückbesinnung auf die Überlegungen der Griechen 1800 Jahre zuvor - liegen allerdings irgendwie quer dazu. Doch kurz nach Galilei kam dann schon Descartes mit den Anfängen der Aufklärung, die dann mit Leibniz und dem Tod Newtons zur dominierenden Strömung des 18. Jahrhunderts wurde. Der wissenschaftliche Fortschritt kam im 18. Jahrhundert fast vollständig zum Erliegen (bis auf die wenigen Entdeckungen in der Chemie). Ich vermute, dass die wissenschaftliche Forschung so sehr zurückgefahren wurde und sich vornehmlich in enzyklopädischen Arbeiten erschöpfte, weil es an den erforderlichen Instrumenten fehlte. Natürlich waren die Arbeiten von Linné usw. auch Fortschritte, aber in einem systematisierenden, lexikalischen Sinn, der eher die Voraussetzungen der Forschung als diese selbst ausmacht. Vielleicht brauchte es gerade diese ordnende, klassifizierende, begriffsbildende Zwischenzeit, um eine Grundlage für das weitere Denken und Forschen zu schaffen.

    Erst nach dem Siegeszug der Dampfmaschine und der allgemein daraus folgenden explodierenden Technik und Materialkunde war ein weiter substantielles und tiefergehendes Forschen wieder möglich.

    Da also vom wissenschaftlichen Standpunkt aus nichts Neues geliefert wurde, blieb den Philosophen des 18. Jahrhunderts nur das Verharren im eigenen inneren Denken, in der Vernunft. Die Vernunft aber ist ein Produkt und Werkzeug der Evolution und der Realität und kann daher nicht nur aus sich selbst heraus verstanden und erklärt werden, und entsprechend kann auch die Welt nicht nur aus der Vernunft heraus erklärt und verstanden werden. Dazu braucht es das äußere Denken der Wissenschaft, die ihre Fragen an die Welt stellt und dann die Antworten von der Vernunft bearbeiten und interpretieren lässt. Das wissenschaftliche Denken ist die qualitative Fortführung des bewussten Denkens.

    Heute könnten wir auf dem gesamtwissenschaftlichen Denken und dem daraus resultierenden belastbaren Weltbild aufbauen, dass sich seit den 1960er Jahren langsam herausbildet.)

    Wenn man die Funktion des „Lebens“ innerhalb der Evolution des Universums (also innerhalb der jetzt gerade sich ereignenden Entstehung des Universums) verstanden hat, wird auch klar, dass der Tod oder das (altersbedingte) Sterben ein wichtiger und notwendiger Bestandteil davon ist. Denn ohne das Sterben des Alten ist eine weitere offene Entwicklung nicht möglich.

    Bei jedem Menschen, der geboren wird, bilden sich (vor allem in den ersten beiden Lebensjahrzehnten) aus der Interaktion mit der jeweils gegebenen Umwelt im Verlauf der Ausgestaltung des Gehirns grundlegende, belastbare und stabile Strukturen heraus, die den vorherrschenden Denk- und Verhaltensweisen des Individuums in der Folgezeit zugrunde liegen werden und nur schwer und niemals vollständig aufzubrechen sind.

    Diese für das Leben und Überleben notwendigen Grundierungen sind biologisch gewachsen und nicht unbegrenzt flexibel. Daher ist eine Weiterentwicklung und notwendige Anpassungsleistung nur zu erreichen, wenn immer wieder die einer veralteten, überholten Umwelt angepassten Formen des Gehirns durch die Möglichkeiten neuer Strukturen ersetzt werden.

    Andernfalls würde das Leben früher oder später zum Erliegen kommen und in der sich verändernden Welt aufgrund der Starrheit seiner Reaktionsmöglichkeiten zerrieben werden. Nur durch das Sterben des Individuums und seiner jeweiligen Generation ist das Überleben der Gesamtheit in der sich verändernden Welt möglich und zu erreichen. Und nur so kann sich Sinn eröffnen im Mitwirken innerhalb der Evolution des Ganzen.

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    Sehr geehrter ...

    Erlauben Sie mir nur eine Anmerkung zur Sinnfrage: Das Leben bzw. der Lebensprozess trägt seinen Sinn auch in sich, trotz oder besser gerade wegen seiner Endlichkeit und Verletzlichkeit. Was ist der Sinn von Bäumen, Bienen oder Streifenhörnchen außer ihrer Existenz? Natürlich, sie haben auch eine Funktion im Ökosystem, doch das ist vermutlich noch nicht die umfassende Erklärung.

    Oder, um es anders, mit Hannah Arendt auszudrücken, die, nach den Eichmann-Prozessen gefragt wurde wofür es sich denn noch lohne zu leben, nachdem man die schrecklichen Gräuel und Vernichtungsexzesse nun vor Augen habe, folgendes gesagt haben soll: "Wofür es sich lohnt zu leben? Für die Schönheit der Welt".

    Mir leuchtet das sehr ein. Die Schönheit der Welt zu erhalten, und wenn es gut laufen würde, vielleicht sogar noch zu vermehren, ist sicher keine schlechte Antwort auf die Sinnfrage...

     

    Sehr geehrte ...

    Was hat es also mit unserer Existenz auf sich? - Mein Körper von heute ist nicht mehr mein Körper von vor zehn Jahren. Im Laufe des Lebensprozesses werden die Moleküle, also die Materie des Körpers, mehrmals komplett ausgetauscht (man schätzt etwa innerhalb von sieben bis neun Jahren). Die Knochen z.B. werden permanent auf der einen Seite abgebaut und auf der anderen Seite neu gebildet; mein Oberschenkelknochen von heute ist nicht mehr der Oberschenkelknochen von vor zehn Jahren, wenn man von dem Material ausgeht, aus dem er besteht; das, was wir als Oberschenkelknochen festschreiben, durchläuft in Wahrheit einen fortlaufenden Prozess, in dessen Verlauf er sich fortwährend in seiner Substanz und je nach Beanspruchung auch in seiner Form verändert; ein ständiger Strom von Materie durchfließt unseren Körper, die wir uns in Form anderer Tiere, Pflanzen oder einzelner Mineralien einverleiben, lagert sich ein und wird wieder abtransportiert; auch die Gehirnflüssigkeit z.B. wird permanent neu produziert, wieder entsorgt und aus dem Körper entfernt; Zellen - auch Gehirnzellen - entstehen oder sterben ab; auch die Haut wird mehrmals im Leben komplett ausgetauscht (man schätzt, dass bis zu 80% des Hausstaubs aus abgestorbenen, abgestoßenen Körperpartikeln bestehen).

    Der Körper ist nur bedingt und nur soweit als nötig der Welt gegenüber abgegrenzt – und zwar nicht nur nach außen, sondern auch im Inneren. Die Schleimhäute unseres Körpers sind von Mikroben bewohnt. Ein Teil davon ist in einer Weise aktiv, ohne die unser Körper auf Dauer gar nicht weiter existieren könnte. Nähme man sie weg, würde der Körper aufhören zu existieren. Gehören diese Lebewesen nun zur Existenz des Körpers dazu, obwohl sie genetisch anderes konfiguriert sind als die anderen Zellen, aus denen unser Körper besteht, oder nicht? Gehören die Bakterien in unserem Darm, ohne die wir unsere Nahrung gar nicht verwerten könnten, und von denen Forschungsergebnisse immer wieder zeigen, dass ihre Aktivitäten auch unsere Gedanken, unsere Emotionen und Stimmungen beeinflussen, zu unserer Existenz dazu, oder nicht? Wo ist die Grenzlinie unserer Existenz oder der Existenz der anderen Lebewesen zur Welt? Wo ist die Grenze des einen Lebewesens und wo die des anderen Lebewesens?

    Unser Körper ist auch ein ökologisches Habitat, ist durchlässig für Billionen kleinster Lebewesen, die sein Inneres bewohnen. Es gibt Bakterien, die in Krebsgeschwüre leben und Medikamente durch ihren Stoffwechsel darin beeinträchtigen, diese Krebszellen zu töten und zu vernichten. (Gehören übrigens Krebszellen, die ja, obwohl sie ihn zerstören, Zellen unseres eigenen Körpers sind, zur Existenz unseres Körpers dazu, oder nicht?)

    Das mit irgendeiner einheitlichen, abgeschlossenen Existenz unseres Körpers gegenüber anderen Existenzen und der Welt ist also gar nicht so einfach. (In diesen Zusammenhang gehört auch, wie Viren sich auf molekularer Ebene mit unserem Körper, bzw. mit den Molekülen in unseren Körperzellen, verbinden.) Der Körper ist eine teilweise offene Gesellschaft von einzelnen, in einem Organismus, einer Organisation verschränkten Einzellern, die nach mehr oder weniger starren und flexiblen Mechanismen funktioniert. (Und wenn ich „Ich“ sage, muss ich eigentlich „Wir“ meinen, und alle mit einbeziehen.)

    Auch mein Denken und meine Persönlichkeit - d.h. die entsprechenden Strukturen und Konfigurationen meines Gehirns - sind nicht mehr die von vor zehn Jahren; denn in fortdauernder Auseinandersetzung mit der Umwelt, haben sie sich je nach den Erfordernissen und Erkenntnissen in deutlicher Weise verschoben und verändert.

    Existenz kann nur als Prozess im Austausch mit der Welt und als Teil der Welt gedacht werden.

    Ich benutze zwar den Begriff Existenz, aber das bezeichnet nichts einzeln Feststehendes, sondern immer einen in einen größeren Zusammenhang, ein größeres Ganzes eingebundenen Prozess.

    (Wie ermöglicht die Sprache unser Denken durch Begriffsbildung und wie schränkt sie es dadurch gleichzeitig ein? Wie kann die notwendige begriffliche Zerstückelung, die künstliche Fragmentierung der Welt mit der genauso notwendigen umfassenden, einschließenden Gesamtschau der Welt sprachlich vereinbart werden? Wenn wir etwas durch Begriffsbildung aus dem Ganzen der Welt herauslösen, dann ist das nur der Struktur und der Organisation unseres Sprach- und Denkvermögens geschuldet, ist aber kein exaktes Abbild der Realität. Wir können nicht auf andere Weise denken und mit der Welt umgehen. Wenn wir uns diesen Tatbestand nicht bewusst machen und die durch Begriffsbildung ausgelöste Vereinzelung der Dinge nicht relativieren und anders einbinden, geraten wir leicht auf Irrwege, die die Realität in unverantwortlicher Weise zu zerstückeln und zu ordnen versuchen.

    Es gibt keine Dinge. Es gibt nur Begriffe, die wir der Realität überstülpen, um eine künstliche Ordnung zu schaffen, die uns das Denken erst ermöglicht. Die Realität kennt keine festen, von der übrigen Welt isolierten, unabhängigen Dinge. Wie kann man verhindern oder ausgleichen, dass die durch die Begriffsbildung suggerierte Herauslösung eines Seienden aus der Gesamtheit der Realität als Wirklichkeit wahrgenommen wird? Dass also z.B. „Leben“ als etwas von dem restlichen Geschehen des Universums Abgespaltenes, Andersartiges, Verschiedenes wahrgenommen wird, obwohl es nur ein in den Gesamtprozess eingebundener temporärer Teil ist.)

    Das Individuum, jedes einzelne, ist unersetzbar im Gesamtprozess, durch seine Einzigartigkeit und seine daraus resultierenden solitären Wirkmöglichkeiten, weil wir die Zukunft und die zukünftigen Entwicklungen nicht kennen und also auch nicht voraussagen können, welche Fähigkeiten und Eigenschaften welchen Individuums in kommenden Situationen gebraucht werden, und welche Auswirkungen eines Individuums auf die Welt und die weitere Entwicklung in Zukunft welche Konsequenzen haben und welche positiven Weichenstellungen es, direkt oder indirekt, auslösen wird. Das ist der Wert der einzelnen Existenz. Aber die einzelne Existenz beinhaltet nicht einen Sinn in sich selbst, unabhängig von der Welt. Kein Streifenhörnchen ist ein von seiner Umwelt komplett abgrenzbares Phänomen. Eine Existenz an sich, ohne Verbindung zur Welt, kann es nicht geben. Ein Streifenhörnchen, dass nur für sich steht und nicht mehr Teil der Welt ist, hat keine Existenz mehr und ist nur Nichts bzw. nur eine Idee in Ihrem Gehirn, die aber im weiteren Umkreis völlig bedeutungs- und realitätslos ist.

    Ich rede hier im Moment nicht über Gefühle und die subjektiven Vorgänge, die innerhalb des Denkens ablaufen und die teilweise Anderes suggerieren, als den tatsächlichen Sachverhalt. Ich habe kürzlich einen Film über die Arbeit mit geistig behinderten Menschen gesehen, und ich verstehe, wie die Empfindung in Ihnen auftaucht, dass das Einzelne einen „Sinn in sich selbst“ hat, und es nur darauf ankommt, es für sich selbst zu erhalten und dafür zu sorgen, dass es sich in sich selbst wohlfühlt und glücklich ist. Dieses Empfinden führt zu dem für die Evolution und für die Erhaltung und Entwicklung der Menschheit richtigen Verhalten, nämlich sich um die Menschen zu kümmern und sie in der Gesellschaft zu halten. Aber die Begründung ist nicht richtig. Es geht darum, welche Auswirkungen dieses Ihr sorgendes Verhalten durch den zu pflegenden Menschen auf die Struktur und den Zusammenhalt innerhalb der gesamten Gesellschaft hat.

    Dies ist unter anderem eine der Wirkungen, die der nicht autarke, pflegebedürftige Mensch in der Welt hat (es gibt für jeden Einzelnen natürlich noch weitere, entsprechend seiner Individualität).

    Es spielen hier auch Gefühle eine Rolle, Liebe und Empathie z.B., die in uns angelegt sind, sich in uns entwickelt haben, aber keine Realität des gesamten Universums sind, sondern „nur“ eine Realität, die in der evolutiven Ebene des sozialen Lebens seine Gültigkeit hat.

    In der Evolution spielen nur die Resultate eines Verhaltens eine Rolle, nicht ob die Grundlagen und Ursachen dieses Verhaltens den tatsächlichen Sachverhalt des Ganzen abbilden.

    Wenn ich mich in der sozialen Ebene verhalte, muss ich nicht die Zusammenhänge des gesamten Universums heranziehen, um diese begrenzte, konkrete Realität zu bewältigen. Aber ich brauche die Realität des gesamten Universums und seiner Evolution, um letztgültige, fundamentale und nicht wegdiskutierbare Begründungen und Ableitungen zu finden für das richtige und falsche Verhalten bzw. für die Ethik unseres Zusammenlebens und seiner Entwicklung.

    Und ich muss unterscheiden: was ist an Gefühlen und Empfindungen eine Realität nur in mir selbst und in meinem sozialen Umfeld, und was ist eine Realität des größeren Zusammenhangs, in dem sich diese meine Realitätsebene entwickelt und in dem sie sich bewähren muss.

    Der Wert eines Menschen liegt in der Wirkung, die er auf mich, auf die Gesellschaft, auf die Welt hat und ist nicht einfach in ihm selbst in solipsistischer Weise vorhanden. Einem Menschen, den ich von der Welt trenne und nur für sich glücklich und zufrieden in irgendeinen Raum wegschließe, dem ist der Sinn seiner Existenz genommen. Er muss die Möglichkeit haben, die Wirkung seiner Existenz in die Welt ausstrahlen zu können.

    Genauso sieht es mit dem Begriff „Schönheit“ aus. Eine feststehende, gültige Definition von Schönheit gibt es nicht. Das sagt uns allein schon der Verlauf der Kulturgeschichte: was heute als schön gilt ist es morgen nicht mehr und war es gestern noch nicht; was in der einen Kultur schön ist, ist es in der anderen nicht. Und auch die Welt in ihren verschiedenen Entwicklungsphasen kann man nicht durchweg einfach als schön bezeichnen (ich glaube nicht, dass jemand die sauerstofflose Welt der ersten lebenden Zellen vor 3 1/2 Milliarden Jahren als schön bezeichnen würde, wenn er darin leben müsste) [und man muss auch einen sehr, sehr selektiven, eingeschränkten und oberflächlichen Blick auf die Naturzusammenhänge unserer heutigen, vorübergehend menschengerechteren, Welt zulassen, um sie als schön zu bezeichnen].

    Das Schönheitsempfinden hat sich im Laufe der Evolution im Denken herausgebildet, weil es für unser Leben wichtige Funktionen erfüllt, weil es unter anderem ein bedeutender Motor ist für Lebenswillen und Lebensfreude, aber es ist nichts, was außerhalb unseres egozentrischen Denkens vorhanden wäre. Schönheit ist eine Bewertung und Interpretation der Realität, nicht die Realität selbst. Das Schönheitsempfinden hilft uns beim Navigieren durch die Welt, ist aber keines ihrer feststehenden, unveränderlichen Merkmale und behindert uns oft, indem es die Sicht auf das wirklich Entscheidende verstellt. Es ist ein unbewusstes Geschehen, durch unbewusst verarbeitete Erlebnisse geformt im Rahmen eines angeborenen vorgefertigten Möglichkeitsrasters, kann aber durch bewusste Überlegungen und Manipulationen verändert werden. Und man darf diesen Mechanismus auf keinen Fall unhinterfragt lassen. Problematisch wird es ja, wenn die Konsequenzen diverser Schönheitsbegriffe in die Realität getragen werden:

    wenn z.B. jemand abgeholzte Wälder schön findet, weil ihm das viel Geld in die Taschen spült und er eine Menge damit unternehmen kann; oder wenn jemand die Welt nur schön findet, wenn alles seine Ordnung hat, jedes Volk in seinen eigenen Hütten bleibt, und man sich zu Hause sicher fühlt und nichts sich ändert; oder wenn andere nur eine solche Weltordnung schön finden, die konsequent nach religiösen Kriterien ausgerichtet ist, und um das zu erreichen und ins Paradies zu gelangen (das sie auch als schön behaupten) denen, die diesem Ziel im Wege stehen und Unruhe stiften, die Köpfe abschlagen und allgemein das freie Denken verhindern; andere finden wohlproportionierte Körper schön und sabbernde, lallende Krüppel mit verzerrten Fratzen, die zur Artikulation nicht fähig sind, hässlich, und glauben, die Schönheit der Welt zu mehren, indem sie das Hässliche eliminieren; oder wenn jemand schwarze Hautfarbe nicht schön findet …

    Schönheit existiert ausschließlich als Funktion und Muster in unseren Gehirnen und sonst nirgendwo.

    Hannah Arendt standen die Informationen über die Welt, die ich heute verwenden kann, noch nicht zur Verfügung, da diese erst nach ihrer Zeit von den Wissenschaften erarbeitet wurden (wie in den einleitenden Bemerkungen zur „Vita activa“ ganz deutlich wird).

    Das Gleiche gilt auch für die Existenzialisten, auf die Sie anscheinend anspielen. Die Leute hatten keine Ahnung von dem, was wir heute über die Welt wissen, und konnten entsprechend auch keine Schlussfolgerungen daraus ziehen.

    Nicht der Mensch gibt der Welt einen Sinn oder birgt einen mysteriösen, nirgendwoher ableitbaren Sinn in sich selbst; sondern: die Existenz des Menschen und alles anderen, was ist, kann nur Sinn erfahren als untrennbarer, aktiver Teilaspekt der entstehenden, sich entfaltenden Welt.

    Philosophie muss sich mit den heutigen Erkenntnissen über die Welt auseinandersetzen, daraus Schlussfolgerungen ziehen und sie zu einem Gesamtbild zusammenfügen – und nicht den beschränkten Wissensstand zugrunde legen, der den Denkern vergangener Jahrhunderte zur Verfügung stand. Philosophie muss in der heutigen Zeit stattfinden und darf das Denken nicht an die überholten Strukturen vergangener Zeiten fesseln.

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    Wer behauptet, dass die Entropie das Ende des Universums bzw. seiner Entwicklungen zur vorhersehbaren Folge hat, der müsste zumindest beweisen können, dass das Universum ein geschlossenes System ist, dem von nirgendwoher Energie zufließen kann; dass die Energiezustände des Universums nicht irgendwann gelenkt und manipuliert werden können; dass die Naturgesetze ewig gelten und nicht durch irgendwelche Entwicklungen der nächsten paar Milliarden Jahre verändert werden können. Wer solch endgültige Aussagen treffen wollte, der müsste über sämtliche das Universum betreffenden Informationen verfügen. Das ist aber nicht möglich. Und kann es auch nicht sein. Kein jemals existierender Mensch wird über die Kapazitäten verfügen, solche Einsichten haben zu können. In ein paar Milliarden Jahren wird es andere Abläufe geben, die aus unserem heutigen Tun und Lassen hervorgehen werden, wobei das dann herrschende Realitätsverständnis mit Sicherheit ein anderes sein wird als heute.

    Das sagt uns eine Extrapolation aus dem bisherigen Gang der Ereignisse:

    Denn stellen wir uns eine einzelne Zelle vor am Beginn der Geschichte des Lebens, in irgendeinem Tümpel oder am Ufer eines Meeres oder sonstwo. Diese Zelle ist so winzig und unscheinbar, dass Unzählige davon in einem Wassertropfen Platz haben. Ein Nichts im Verhältnis zur Größe der Meere und der gesamten Erde. Und dann frage man sich, wie diese Zelle es schaffen könnte, selbstständig zum Mond zu fliegen und wieder zurückzukommen. Eine unsinnige Vorstellung. Ein Ding der Unmöglichkeit. Und doch hat es nur wenige Milliarden Jahre gebraucht, bis die Nachfahren dieser Zelle genau dies in der Organisationsform des „Menschen“ geschafft haben. Und dazu noch die gesamte Erde und deren Klima dominieren und manipulieren.

    Wer will nach dieser realen Geschichtserfahrung behaupten, dass die organisierten Lebensformen oder Erscheinungsformen, die aus uns Menschen hervorgehen werden, nicht in ein paar Milliarden Jahren unsere Galaxie manipulieren – und die dann daraus sich weiter ergebenden Erscheinungsformen das gesamte Universum beeinflussen werden. Auch aus der einfachen Überlegung heraus, dass diese Erscheinungsformen ja Erscheinungsformen eben dieses Universums sind; aus ihm entstanden und als innerer, ihm eigener Prozess in ihm wirkend. Im Universum und aus dem Universum entstehen die Kräfte und Tools, die es aufbauen,umbauen und verändern. Niemand von uns kann etwas von dieser Entwicklung voraussehen und endgültige Aussagen über die möglicherweise zu erreichende Endgestalt des Universums treffen.

    Ein Beobachter vor 5 Mrd. Jahren hätte an dieser Stelle stehend wahrscheinlich „vorausgesehen“, dass hier ein Sonnensystem entsteht, das nach 10 Mrd. Jahren durch die Explosion der Sonne sich wieder zerstört – und dann unverzüglich weiter hin zum Kältetod. Die Entstehung des Lebens und daraus folgend die des Menschen waren nicht vorhersagbar.

    Genauso lächerlich klingen die heutigen Vorhersagen über die Zukunft des Universums, weil sie die voraus liegenden, unvorhersehbaren Ereignisse einfach nicht berücksichtigen.

    Mit Sicherheit wird letzten Endes die Entwicklung des Universums nicht allein aus der Physik heraus erklärbar und beschreibbar sein, sondern es müssen die daraus folgenden und darauf aufbauenden komplexeren Ebenen der Evolution im weiteren Verlauf in ihren vielfältigen, zunehmend weiter ausgreifenden Wirkmöglichkeiten mit einbezogen werden.. Das tatsächliche Geschehen der nächsten Milliarden Jahre können wir heute schlicht und simpel nicht vorhersagen. Dazu fehlen uns die Kenntnisse und die Informationen.

    (Kann man übrigens eine Analogie sehen zwischen der sich ausformenden Erde und der ersten biologischen Zelle? - und das weitere Geschehen - in entsprechender Weise vorhersagen? - Sporenbildung, Verbreitung usw.? -

    Vorausgesetzt natürlich, dass die Erde nicht zugrunde geht, und die erste Planetenzelle der Galaxie sich an anderer Stelle stabilisieren und materialisieren muss.)

    Denn wir bewohnen die Erde ja nicht, sondern wir sind Teil der Erde und Erscheinungsform ihrer Entwicklung.

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    Sehr geehrter ...

    Ich hatte nicht die Absicht, einen Text von „wissenschaftlicher Tiefe“ zu verfassen. Wenn ich hier von wissenschaftlichem Denken rede, dann meine ich nicht nur die Rituale der akademischen Wissenschaften, sondern eine mentale Herangehensweise an die Welt, die sich von den vorhergehenden Herangehensweisen im Verlaufe der Menschheitsgeschichte grundlegend unterscheidet und qualitativ über sie hinausgeht, weil sie belastbare, aus der Welt selbst generierte Handlungs- und Wahrnehmungsoptionen in Richtung Zukunft ermöglicht; eine Herangehensweise, die jeder Mensch sich aneignen kann, um kritisch, prüfend und abwägend die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu nutzen für sein Bild der Welt, ohne selbst als Wissenschaftler arbeiten zu müssen. Ich selbst stehe völlig außerhalb der akademischen Welt, habe noch nicht einmal das Abitur und bin reiner Autodidakt. Ich benutze die wissenschaftlichen Erkenntnisse, um die Welt verstehen zu können; so weit das möglich ist, aber ich bin kein Wissenschaftler.

    Ich habe weiterhin auch nicht gesagt, dass es sich bei dem Internet um ein gehirnähnliches System handelt, sondern dass es sich zu einem solchen in größerem Maßstab entwickeln wird; in einem langwierigen Prozess, dessen Dauer nicht vorhersagbar ist und vielleicht Jahrhunderte umfasst. Im Moment hat das Internet so viel mit dem Gehirn zu tun wie die Zellansammlung im Kopf eines Fötus vor der Geburt. In seinem Potential wird es aber über unsere marginalen Hirnmechanismen hinausgehen. Wahrscheinlich werden sich sowieso erst regionale und funktionale Entitäten ausbilden, die sich dann in größere Zusammenhänge hinein ausbauen und erweitern.

    Und noch ein Punkt: Ich versuche wo es geht, gängige Modebegriffe wie „Vernetzung“ usw. zu vermeiden, weil sie nur dem arroganten Dünkel Raum geben würden, man wisse, wovon man spreche, weil die Worte allgegenwärtig benutzt werden. (das Gleiche gilt auch für die meisten Fachbegriffe der Philosophie und der anderen Bereiche). Jeder, der „Vernetzung“ sagt und sich dazu etwas vorstellt, streift nicht einmal annäherungsweise die tatsächlichen Vorgänge im Gehirn (z.B. sind darin die ganzen chemischen Strömungs- und Nanopotentiale nicht enthalten). Alles was sich ein Mensch vorstellen kann, hat mit dem tatsächlichen Geschehen im Gehirn nichts zu tun; dazu reicht unsere Vorstellungskapazität nicht aus; geschweige dass sowieso viele Vorgänge noch gar nicht bekannt und erklärbar sind. Der Begriff „Vernetzung“ ist eine unzulässige Reduktion des tatsächlichen Sachverhalts.

    Ich versuche seit ein paar Jahren, diese hier geäußerte Weltsicht, die mir zwingend aus den heutigen Erkenntnissen über die Welt hervorzugehen scheint (ich kann mir jedenfalls keine ernstzunehmende Alternative vorstellen), jemandem vorzulegen, der etwas damit anfangen kann und beurteilen kann, wovon ich rede. Ich kenne keine einzige Publikation, die diese von mir hier geäußerte kohärente Weltsicht auch nur im Ansatz ausformulieren würde.

    Mir scheint, dass auch Sie die Tragweite dieser Gedanken nicht ganz erkannt haben.

    Wie gesagt: bei mir ist wissenschaftliche Tiefe im Schreiben nicht zu finden. Ich bin eher jemand, der in vorrangig emotionaler Weise an die Dinge herangeht. Und wenn ich mich damit quäle, meine Gedanken in Worte zu fassen, dann bleibt der Großteil davon für mich nicht mitteilbar. In den Worten sichtbar ist bei mir immer nur die Spitze des Eisbergs; die Bilder und Gefühle, die daranhängen, bilden den größeren Teil des Ganzen, unsichtbar unter der Oberfläche.

    Ich wünschte mir aber sehr, dass diese Art des Weltverständnisses, zu der es meiner Ansicht nach wie gesagt keine einer Überprüfung standhaltende Alternative gibt, wirklich einmal mit der gebotenen wissenschaftlichen Tiefe ausgearbeitet würde. Ich selbst bin dazu definitiv nicht in der Lage. Dazu ist mein Denken viel zu unsystematisch und zu fließend. Aber ich bezweifle auch, dass dies von einer einzelnen akademischen Person gestemmt werden könnte – zu viele Fachbereiche, oder eigentlich alle, von der Physik und Biologie bis zu Psychologie, Geschichte und Informatik, Sprachwissenschaft, Philosophie, Soziologie usw., spielen in diesem Zusammenhang eine Rolle. Daher könnte ich mir eigentlich nur einen Sammelband Vieler vorstellen. Aber dazu müsste eine intensive Auseinandersetzung mit der vorgestellten Denk- und Herangehensweise stattfinden, die Willens ist, festgetretene und unhinterfragte Begriffe und Begriffsgrenzen aufzubrechen und vor allen Dingen und in erster Linie den gängigen Begriff des Menschen völlig aufzulösen und neu, Schicht um Schicht, aus den grundlegenden Bausteinen der Welt, aus all den verschiedenen Schichten und Ebenen der Evolution, aus denen er sich herleitet und in deren zukünftige Formen er sich hineinverwandeln wird, zusammenzufügen.