„Das ist mir zu philosophisch“

Den Einwand höre ich oft, wenn Leute sich für das bedingungslose Grundeinkommen interessieren und nun wissen wollen, wie das denn funktioniert.

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    Den Einwand höre ich oft, wenn Leute sich für das bedingungslose Grundeinkommen interessieren und nun wissen wollen, wie das denn funktioniert.

    „Philosophisch“ heißt also: schön und gut, aber nicht real. Nur gedacht.

    Das ist eine ernsthafte Kritik an der Philosophie. Und am Denken.

    Was ist am bedingungslosen Grundeinkommen philosophisch? Die Seinsfrage. Die Frage, ob es überhaupt ein Sein gibt, oder ob aller Wert von was auch immer erst in einer Funktion in einem System zur Geltung kommt. Als greifbare Funktion. Eine materiell denkbare Wertigkeit. Eine tote also. Und der Wert des Systems? Ist seine Funktion innerhalb des nächst größeren Systems. Wo ist die Entität?

    Das Tote kann sich gedanklich nur in einer Funktionsgesetzmäßigkeit als wirklich erweisen. Es ist das Denken und Vorstellen in einer mechanischen Logik, in einer räumlichen und stofflichen.

    Das bedingungslose Grundeinkommen fokussiert nun den Menschen ohne Funktionsbild.

    Darum fällt das bedingungslose Grundeinkommen aus dem System des Toten heraus. Es fällt auch aus der Disziplinierung und Verwaltung der bloßen Lebensmasse heraus, die seelenlos und geistlos gedacht wird. Darum wird es gefährlich.

    Das bedingungslose Grundeinkommen wird nicht gefährlich, weil es über Seele, Geist, Sein spekulieren lässt. Oder über die Würde des Menschen, was wohl alles dazu gehört und was doch nicht. Sondern weil es ernst macht mit der Wesenhaftigkeit des Menschen. Die Wesenhaftigkeit besteht nicht aus Attributen, über die sich streiten lässt. Sie erscheint in der Wahrnehmung, in der Anschauung. Oder nicht.

    Die Wahrnehmung ist erschütternd, dass der Mensch ein Wesen ist. Nicht ein Begriff vom Menschen ist gemeint und nicht die Menschheit allgemein, sondern das Gegenüber. Die Person ist die Entität. Von ihr geht alles aus. Auch alles, was dann Funktionen sind und was als System behauptet wird. Systeme sind hilfreich. Aber nicht umgekehrt. Der Mensch ist nicht für Systeme da. Er ist nicht dafür da, ins Tote gekommene Vorstellungen am Leben zu erhalten. Er ist nicht Lebensmasse für fixe Vorstellungen.

    Die Frage des bedingungslosen Grundeinkommens ist, ob ich die Person als Wesen anerkenne. Jede Person. Ob ich das wahrnehmen kann. Oder nicht. Wenn nicht, ist das deutlich. Dann sind Ethik, Moral und was es sonst noch gibt auch wesenlos. Dann sind sie eine Verhandlungsmasse. Und so wird es heute gehandhabt. Das bedingungslose Grundeinkommen macht nur deutlich. Es ist keine Weltverbesserung. Es hat auch kein besonderes Menschenbild. Es hat nur überhaupt eines.

    Was der Philosophie angelastet wird, wenn es heißt, die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens sei zu philosophisch, ist, dass Philosophie nicht das Wesentliche träfe. Dass sie selbst wesenlos sei. Was ist dann wesentlich? Dass etwas zu finanzieren ist und wirtschaftlich funktioniert. Finanzieren und wirtschaftlich ist dann auch schon dasselbe.

    Woran man sieht, dass Zeit für eine nächste Aufklärung wäre.

    Ist die Aufklärung auch etwas Philosophisches? Ich finde zum Beispiel den Gedanken erhellend, dass alles Geld in Einkommen geht. Mit anderen Worten, ein Auto, das ich mir kaufe, dieses Ding, das da steht, kostet gar nichts. Was daran etwas kostet sind die Einkommen derer, die von der Rohstoffgewinnung bis zum abgeschlossenen Verkauf daran mitgewirkt haben, dieses Ding nun mir zur Verfügung zu stellen. Man meint, Material kostet. Aber Material kostet nicht. Einkommen kosten. Enthalten im Preis für den Verbraucher sind auch die Steuern, die auf dem Weg der Herstellung von Unternehmen und Mitarbeitern gezahlt werden. Die Steuern sind die Einkommen derer, die für die Rahmenbedingungen der Herstellung sorgen. Zum Beispiel in der Bildung, der Sicherheit, den Gesetzen, der Infrastruktur. In allem, was nicht der unmittelbare Konsument bezahlen soll, sondern was wir gemeinschaftlich bezahlen wollen. Und lege ich mein Geld auf die Bank, so ist es sogleich ein Kredit für andere, von dem ein anderer etwas kauft, oder eine Investition. Eine Investition zum Beispiel in neue Maschinen. Die kosten Geld, weil Menschen sie hergestellt haben, die ein Einkommen brauchen, um sie herstellen zu können. Auch die eventuell im Preis enthaltenen Zölle, Dividenden, Zinsen, Gewinne sind Geld, das Einkommen wird.

    Kommt noch hinzu, dass das Auto, das ich kaufe, von dem ich meine, dass ich es bezahle, schon bezahlt ist. Sonst stände es nicht da. Was ich bezahle sind Einkommen für die Herstellung eines nächsten Autos. Das eine Auto habe ich abgenommen. Bezahlt habe ich das nächste. Bezahlen ist beauftragen. Beauftragen ist verantworten.

    Das Einkommen, das mir rückwirkend für meine Leistung im vergangenen Monat gezahlt wird, ermöglicht mir mein Leben und davon ausgehend meine Arbeit im kommenden Monat. Der letzte Monat war schon bezahlt. Sonst hätte ich in ihm nicht leben können. Das Einkommen ermöglicht. Das Leben und die Arbeit sind zukunftsgerichtet. Die Auffassung vom Bezahlen ist vergangenheitsorientiert. In der Vergangenheit passiert aber nichts mehr.

    Die Stelle zwischen Ermöglichen und Ergebnis ist der individuelle Mensch. Den achte ich oder schalte ihn aus. Wenn ich meine, der Kellner serviere mir einen Kaffee, weil er dafür bezahlt wird, schalte ich ihn aus. Wenn er das selbst genauso so sieht, schaltet er sich selbst aus. In gewisser Weise ist es bequemer, es nicht mit Menschen zu tun zu haben. Damit schalte ich den Punkt der Freiheit aus. Freiheit ist hier nicht gemeint als theoretische Option, sondern als in der Anschauung des anderen als Wesen. Durch den Punkt der Freiheit als das Unberechenbare kommt die Idee. Ein berechenbares Bildungswesen hat keine Idee von sich selbst. Dann muss an ihr gespart werden. Profit als Unternehmensziel ist die Abwesenheit einer Idee von Wirtschaft. Dann sind Mitarbeiter Kostenfaktor und Kunden zu binden. Die Worte sagen es. Die Frage stellt sich überall, ob ich ans Wesentliche komme.

    Schon um das bedingungslose Grundeinkommen zu denken braucht es den einen kleinen eigenen Schritt in Freiheit. Sonst rutscht es ab in die längst etablierten und insofern leistungslosen Emotionen für die „Armen“ und in eine Selbstgerechtigkeit gegen die Ungerechtigkeit. Am Ende sollen die „Reichen“ zahlen.

    Alles kein eigener Schritt. Im Gegensatz zu der Meinung, ein Grundeinkommen setze Anreize zur Leistungslosigkeit, ist schon bei der ersten Berührung mit der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens für jeden zu spüren, dass es die bestehende Leistungslosigkeit attackiert.

    Um noch einen Moment bei der Aufklärung zu bleiben: wir leben im Sozialismus. Weltweit sind die Menschen füreinander tätig. Kaum einer arbeitet noch für sich. Fast alle lassen sich auf das Risiko ein, nicht für sich selbst zu sorgen, sondern für andere. Ein Lehrer kann nicht leben von dem, was er tut. Wie sollte er. Eigentlich kann niemand mehr von dem leben, was er tut, sonder nur von dem, was andere für ihn tun. Der Ertrag meiner Arbeit ist nicht, was ich nachhause trage, sondern was andere nachhause tragen. Was andere nutzen, was anderen zugute kommt. Das Ergebnis der Arbeit ist nicht Geld. Geld ist ein Rechtsmittel, das den Austausch regelt. Geld ist kein Wirtschaftswert, sondern ein rechtliches Mittel zur Regulation der wirtschaftlichen Werte. Als Einkommen ist es Ermöglichung. Es ermöglicht mir, von dem zu leben, was andere tut. Das hat nicht unmittelbar mit meiner Arbeit zu tun. Das hat nur über mich selbst, mein Eigensein, mit meiner Arbeit zu tun. Das kann niemand anderem gehören. Kaufen ist aber eine Übertragung von Eigentumsrecht. Kann man Arbeit kaufen? Faktisch ist das partieller Menschenhandel. In der Mentalität findet der statt. Wenn Arbeitskraft und Lebenszeit zu kaufen sind, dann sind sie etwas, was sich nicht selbst gehört und auch nicht untrennbar Bestandteil sind von etwas, das sich selbst gehört. Dann sind sie zu veräußern. Wie heißt es so treffend: „Wer zahlt bestimmt.“ Das heißt aber, dass Mensch nicht existiert.

    Eigentümer kann nur sein, was ein Eigen ist. Ein Stein kann nicht Eigentümer sein. Tiere auch nicht. Nicht im rechtlichen Sinne. Sie sind nicht rechtsfähig, weil sie nicht unrechtsfähig sind. Der Mensch kann Tieren Rechte zusprechen, die Tiere sich aber nicht. Was sind die Menschenrechte? Das sind Rechte, die ausgehen vom Menschsein als Entität. Sie werden von Menschen den Menschen zugesprochen ausgehend von der Wesenstatsache jeder Individualität. Sie unterliegen keiner anderen Bedingung als dem Menschsein und keinen äußeren Umständen. Sie haben ihren Ausgang im Wesen-Sein der Person. Und das ist schwierig. Weil das kein Tauschgeschäft ist.

    Den Menschen als Wesen wahrzunehmen heißt, ihn als geistiges Wesen wahrzunehmen. In der Theorie ist das dünn. Im Leben ist das heftig. Weil es nicht um Worte geht, nicht um Hausnummern, sondern um Begegnung und Wahrnehmung. Das alte Thema des „Erkenne Dich selbst“ spielt da auch noch mit. Auch heftig, wenn es nicht nur über einem alten Tempel im gebeutelten Griechenland steht, sondern dir geradewegs in das Allerheiligste der gesicherten Vorstellungen kracht.